zum Hauptinhalt
Werner Nekes mit seiner Bolex-Kamera.

© mindjazz

Kinofilm über Werner Nekes: Licht ins Dunkel

Kino-Archäologie: Ulrike Pfeiffer widmet dem im Januar verstorbenen Experimentalfilmemacher Werner Nekes einen tollen Porträtfilm.

Es ist paradox: Will man im Kino die Illusion von Bewegung erzeugen, muss man den Transport des Filmstreifens im Projektor für den Bruchteil einer Sekunde stoppen – daher das romantische Rattern in den alten Apparaten. Das bedeutet im Umkehrschluss: Im Kino sitzt man die Hälfte der Zeit im Dunkeln. Kino, das sind nicht nur 24 Bilder pro Sekunde, sondern eben auch 24-mal pro Sekunde Dunkelheit.

Bild – Nicht-Bild – Bild: Um diese kleinste kinematografische Informationseinheit drehte sich die Arbeit des Mühlheimer Avantgardisten Werner Nekes. „Was geschah wirklich zwischen den Bildern?“, hat der im Januar verstorbene Filmemacher den ersten Teil seiner „Media Magica“-Reihe überschrieben, in der er Objekte aus seiner legendären Sammlung medienhistorischer Artefakte aus der Vorgeschichte des Kinos präsentiert. Die Fotografie bildet für Nekes dabei nur eine von vielen Wurzeln des Kinos. Mindestens genauso wichtig sind die optischen Spielzeuge aus dem 19. Jahrhundert. Etwa das Zoopraxiskop und das Thaumatrop – alles also, bei dem aufeinanderfolgende Bilder eine neue visuelle Realität hervorbringen.

Ein kindlich-spielerisches Verhältnis zur Welt

Kino-Vorgeschichte als Motor für Film-Avantgarde: So lässt sich Nekes’ filmische Arbeit zwischen Lichtmalerei wie „Diwan“ (1973) und Montage-Experimenten wie „Jüm-Jüm“ (1970) vielleicht am besten beschreiben. Repräsentationsfragen und soziologische Analysen überließ er seinen Zeitgenossen vom Jungen Deutschen Film. Stattdessen entwickelte er neue optische Gags und erweiterte damit das Register visueller Ausdrucksmöglichkeiten zur Poetisierung der äußeren Wirklichkeit. Klingt ernstelnd, beschreibt aber ein per se kindlich-spielerisches Verhältnis zur Welt – nicht umsonst sind Nekes’ bekannteste Schüler Helge Schneider und Christoph Schlingensief.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Diesem Kino-Eremiten hat die Filmhistorikerin Ulrike Pfeiffer nun einen tollen, nostalgiefreien Porträtfilm gewidmet. „Werner Nekes – Das Leben zwischen den Bildern“ ist eine sortierende, dialogische Rückschau zu Lebzeiten – gerade noch rechtzeitig hat Pfeiffer den Filmemacher mit einstigen Weggefährten wie dem Kameramann Bernd Upnmor und Klaus Wyborny zusammengeführt oder ihn gemeinsam mit dem Filmkritiker Daniel Kothenschulte das Archiv durchsehen lassen. Eine behutsame Annäherung, in der Nekes’ magische Wunderwelt Stück für Stück genauso greifbar wird wie die filmische Aufbruchstimmung der sechziger und siebziger Jahre.

Doch vor allem geht es ums Material – in seinen Filmen wie auch im Bestand seines Archivs. Das Greifen, Ertasten, Bearbeiten. Immer wieder rücken Nekes’ vom Alter gezeichnete Hände in den Blick. Dass er sich und seine Welt als Auslaufmodell begreift, wird spätestens im melancholischen Epilog auf einem Autoschrottplatz deutlich: Er sammle ja auch nur Übriggebliebenes aus früheren Zeiten. Pfeiffers Film über einen strikt vom analogen Medium her gedachten künstlerischen Entwurf ist selbst digital gedreht. Ein harter Kontrast und lakonisch mitlaufender Kommentar für sich.

Filmkunst 66, Sputnik

Thomas Groh

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false