zum Hauptinhalt
Pracht und Palaver. Papst Johannes Paul XXIII. eröffnet 1962 im Petersdom das Zweite Vatikanische Konzil.

© epd

Kirche und Geschichte: Wir sind alle Pilger

Als die Katholiken in die Moderne aufbrachen: Vor 50 Jahren eröffnete Papst Johannes XXIII. das Zweite Vatikanische Konzil. Viele der damals begonnenen Reformen haben seine Nachfolger inzwischen zurück genommen.

Schwester Appiana war so ein Fall. Wir nannten sie nur die „Gartenschwester“, weil sie im Kloster am Ort zuständig war für Gemüse und Blumen, für Äpfel und Zwetschgen – und fürs Mästen der alljährlichen Klostersau, an dem wir Kinder uns nach Kräften beteiligten.

Eines Tages also stand Schwester Appiana völlig verändert zwischen ihren Beeten. Sie strahlte übers ganze Gesicht und sagte: „Seit dem Konzil dürfen wir das.“ Es war das erste Mal, dass ich das Wort „Konzil“ hörte, und schlagartig fiel mir auf, was anders war: Schwester Appiana trug einen neuen Schleier. Hatte der alte vom Gesicht nur offengelassen, was zum Leben unbedingt nötig war, so lagen nun auf einmal die Stirn frei, die Schläfen, das Kinn. Eine ganz neue Person tauchte da auf – und ich erschrak. Ich kannte die quirlige Pfälzerin nur braun-, ja fast schwarzgebrannt von der beständigen Arbeit im Freien. Die neuen Teile ihres Gesichts aber waren weiß, blass, fast totenbleich.

Es ist heute so viel Nostalgie im Umlauf, zu viel Sehnsucht nach der „alten“, der „vorkonziliaren“ katholischen Kirche, nach ihrer lateinischen Messe vor allem. Im einschlägigen Feuilletonkatholizismus, stylish-konservativ geschart um Schriftsteller Martin Mosebach und Spiegel-Autor Matthias Matussek, tauchen gerade Kindheitsgeschichten als Argument fürs „Zurück" auf. Oft sind es die Erinnerungen von Leuten, die zuerst der Mode nachgegeben haben, sich von Kirche und Glaube zu entfernen und die sich alternd heute, genauso modisch, in einer Weise auf das alles zurückbesinnen, als wär’s ein Weihnachtszimmer: Festlich geschmückter Baum, brennende Kerzen, Geschenke, Kinderseligkeit pur. Heimelig zurecht fantasiert jedenfalls.

Es gibt andere, die brauchen keine Nostalgie. Als Schwester Appiana ihren Schleier lüftete und uns ihr ganzes Gesicht zeigte, verstanden wir alle neu, wie sie vorher ausgesehen hatte – sie und die „alte“ Kirche. Auffällig ist heute die Schwärmerei, mit dem gerade Jüngere zu Zuständen zurückwollen, die sie gar nicht kennen. Die Vor-Zeit des Zweiten Vatikanischen Konzils und das Konzil selbst, dessen Eröffnung sich am 11. Oktober zum fünfzigsten Male jährt, sind der Lebenswirklichkeit entschwunden. Wie gewaltig damals der Zeitensprung war hin zu dem, was in der katholischen Kirche, im Verhältnis zu Konfessionen und Religionen, zwischen Kirche und Welt, Kirche und Demokratie heute als bare Selbstverständlichkeit gilt – das ist kaum mehr zu verstehen. In der Kirchenkrise von heute ist für manche das Konzil gar schuld an allem. So als hätte es nicht auch gesellschaftliche Umwälzungen gegeben, deren Erosionswirkung weit stärker war als jene, die von einigen zunehmend vergessenen Papieren ausging.

Zeitungen haben wir als Volksschüler damals nicht gelesen. Aber sie quollen über von jenem Ereignis. Das Zweite Vatikanische Konzil war lange vor Johannes Paul II. die erste Mediensensation der katholischen Kirche: 2540 Bischöfe in Rom versammelt, so viele wie nie zuvor, 1200 Journalisten um sie herum. Erstmals waren Schwarze und Asiaten als veritable Bischöfe, später gar als Kardinäle dabei; die Fernsehbilder machten den Katholiken klar, dass sie – bisher europäisch geprägt und an andere Völker höchstens im Rahmen der Spendenaktionen „für arme Heidenkinder“ denkend – tatsächlich Mitglieder einer Weltkirche waren. Und in der Mitte stand ein Papst, Johannes XXIII., der schon in seiner rundlichen Person und seiner Herzlichkeit all das Gravitätische, Unnahbare, Entrückte aufhob, hinter dem sich die Kirchenhierarchie vor ihm verschanzt hatte: „Ich bin euer Bruder.“

Frische Luft in die Kirche

Pracht und Palaver. Papst Johannes Paul XXIII. eröffnet 1962 im Petersdom das Zweite Vatikanische Konzil.
Pracht und Palaver. Papst Johannes Paul XXIII. eröffnet 1962 im Petersdom das Zweite Vatikanische Konzil.

© epd

Johannes XXIII. hatte seine „spontane“ Konzilsidee nicht nur, recht autoritär, durch härteste Widerstände in der Kurie durchgeboxt – die Konservativen wandten ein, seit dem Unfehlbarkeitsdogma von 1870 gebe es in der Kirche keinen Diskussionsbedarf mehr –, er brachte von Anfang an auch Zug in die Sache: „Frische Luft“, sagte Johannes XXIII. wolle er in die Kirche einlassen, ohne dass er genau wusste, wie das aussehen sollte. Gegen die klerikalen „Unglückspropheten, die zwar vor religiösem Eifer brennen, aber die Fakten nicht sehr klug beurteilen und in der heutigen menschlichen Gesellschaft nur Verfall und Unheil erkennen“, setzte er eine prinzipiell positiv-optimistische Weltbetrachtung.

Das gesamte Konzil war von neuer Art: Alle zwanzig „Ökumenischen“ Kirchenversammlungen in den 1900 Jahren Kirchengeschichte zuvor hatten den Auftrag, „gegen“ etwas Position zu beziehen: gegen irrige Lehren, gegen Ketzer, gegen Zweitpäpste, gegen Reformatoren à la Martin Luther und gegen den „Modernismus“. Alte Konzilslehren sind deswegen durchweg Verdammungslehren. Sie münden in die griechisch-lateinische Formel „anathema sit“ – „ausgeschlossen sei, wer...“

Für das Zweite Vaticanum gab es keinen solchen Anlass. Johannes XXIII. merkte nur, dass die Welt sich weiter gedreht hatte als die Kirche, und anders als noch seine Vorgänger, die Bücher- und Denkverbote ausgesprochen hatten, die gegen Demokratie und Religionsfreiheit wetterten, die dem wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Fortschritt lediglich ein „Verzeichnis der Irrtümer“ entgegenschleuderten, sah Johannes XXIII. in den Entwicklungen „einen verborgenen Plan der Göttlichen Vorsehung“. Die Welt von heute, sagte er, brauche eine "Überprüfung“ der christlichen Lehre. Keinerlei Neuerung, wohlgemerkt, aber eine Er-Neuerung: „Der unwandelbare Inhalt der Lehre und die Art ihrer Verkündigung sind zwei verschiedene Sachen.“ Statt hergebrachter Verdammungsstrenge, so rief Johannes XXIII. bei der Konzilseröffnung den Bischöfen zu, „wendet Mutter Kirche heute lieber die Heilmittel der Barmherzigkeit an.“

Ausgesprochen unbarmherzig gingen die „Konzilsväter“ – alle auf lateinisch natürlich – mit den 69 Diskussionsvorlagen um. Kommissionen der römischen Kurie hatten sie auf tradionellen Denkschienen zu alsbaldigem Beschlusse erstellt, der „frische Wind“ des Papstes fand sich in ihnen aber nicht. Und so ließen die im Petersdom versammelten Weltbischöfe ein „Schema“ nach dem anderen untergehen. Gleichzeitig machte ein ganzes Reformbuch Furore, ein regelrechtes Gegenprogramm zu den Kurienpapieren. Verfasst hatte es ein gewisser Hans Küng, erst 32 Jahre alt damals, aber bereits von hoch entwickeltem Selbstbewusstsein.

Wie Küng war auch der zweite Jungstar des Konzils, Joseph Ratzinger (35), als theologischer Fachberater für deutsche Bischöfe nach Rom mitgekommen. Die Wege der beiden Reformer indes, man weiß es, trennten sich gleich nach dem Konzil: Dem einen konnten die Reformen nicht schnell, nicht weit genug gehen. Der andere bekam einen Schrecken fürs Leben, als er bemerkte, welch stürmische Eigendynamik Konzilsbeschlüsse im gesamtgesellschaftlichen Gebrause der achtundsechziger Jahre entfalten konnten. Der zweite wurde Papst, und das allein sagt viel aus über die Nachwirkungen dieser Kirchenversammlung.

Der Reformeifer der Bischöfe war an der Basis seit Jahrzehnten vorbereitet und gläubig ersehnt worden – in einer Zeit, in der Kirchenmitgliedschaft eine schiere Selbstverständlichkeit war. Die Liturgische Bewegung, welche die Messe von historischen Verkrustungen und Überlagerungen befreien wollte, kam aus den Benediktinerklöstern; die Bibel-, die Akademiker-, die Arbeiterbewegungen bestanden nicht aus Rebellengruppen; ein „Kirchenvolksbegehren“ wäre ihnen niemals in den Sinn gekommen. Sie litten an ihrer versteinerten Kirche – und es „erwachte“, wie Romano Guardini Anfang der zwanziger Jahre schrieb, „die Kirche in den Seelen“. In und aus diesen Bewegungen erwuchsen – damals – zahlenstarke junge Priestergenerationen, Bischöfe auch.

An dieser Basis verstand man auch nicht mehr, warum Katholiken und Protestanten (bis 1949) nicht einmal das Vaterunser gemeinsam beten durften, warum ökumenische Treffen überhaupt verboten waren. Papst Pius XI. hatte das in seiner Enzyklika „Mortalium animos“ 1928 ultimativ eingeschärft. Es gehört zur Tragik und zum Glück der Geschichte gleichermaßen, dass Benedikt XVI. noch 2011 bei seinem Deutschlandbesuch aus dieser Verbots-Enzyklika zitierte – dass diese heute aber soweit in Vergessenheit geraten ist, dass nur noch eine Handvoll von Spezialisten die Provokation bemerkt hat. Gleichwohl: Wer Ohren hatte zu hören...

Die Zeichen der Zeit

Pracht und Palaver. Papst Johannes Paul XXIII. eröffnet 1962 im Petersdom das Zweite Vatikanische Konzil.
Pracht und Palaver. Papst Johannes Paul XXIII. eröffnet 1962 im Petersdom das Zweite Vatikanische Konzil.

© epd

Es ist ja auch nicht so, dass beim Zweiten Vaticanum mit ihren Texten auch die kleine Minderheit der Konservativen selbst untergegangen wäre. Im Gegenteil: Sie waren – wie der Theologe Otto Hermann Pesch anmerkt – „die Hätschelkinder des Konzils“. Vor allem Papst Paul VI., der 1963 die Nachfolge Johannes’ XXIII. antrat, bemühte sich gerade nach kontroversen Diskussionen, jede Kampfabstimmung zu vermeiden und in die Beschlüsse alle Seiten einzubinden. Auf diese Weise kamen die 16 Konzilsdokumente zu Mehrheiten von 96 oder mehr Prozent – aber um den Preis, dass in den Papieren oft genug gegensätzliche Positionen nebeneinander stehen oder in hochkomplexe Kompromissformeln gepackt sind. Das hat die Deutung des Konzils schon immer erschwert; heute, da einerseits offenbar die winzige Minderheit der konzilsfeindlichen Piusbrüder gehätschelt werden soll und „Kirchenvolksbewegungen“ andererseits die „Reformverweigerung“ der Hierarchie anprangern, ist die Debatte aufs Neue entflammt.

Dabei hat das Konzil keine Revolution angezettelt. Das erneuerte Kirchenbild, die erneuerte Liturgie, die Öffnung zu Welt und Weltreligionen – sie kommen als eine an den „Zeichen der Zeit“ orientierte Interpretation dessen daher, was die Kirche immer schon als ihr Wesen und ihren Auftrag empfindet. Brüche in der Lehrentwicklung hat es offiziell nie gegeben; sichtbar sind sie trotzdem. Im Gegensatz zu den Piusbrüdern und im Gegensatz zur vorkonziliaren Theologie hat die katholische Kirche im Zweiten Vaticanum erstmals ihre Geschichtlichkeit ernst genommen – damit aber auch die Dynamik einer Tradition, welche sich, in Ratzingers Worten damals wie heute, weder „mumifizieren“, noch „am Vorabend des Konzils einfrieren lässt".

Die Kirche des Zweiten Vatikanischen Konzils will nicht länger die „perfekte Gesellschaft“ sein, das – laut Gesangbuch – unverrückbare „Haus voll Glorie“, das triumphalistisch „weit über alle Land’“ schaut und das sich einer Welt gegenüberstellt, die man als feindlich empfindet. Die Kirche interpretiert sich in den Konzilsdokumenten durchweg als „pilgerndes Gottesvolk“, das zur endzeitlichen Perfektion erst unterwegs ist und bis dahin „die Gestalt dieser Welt trägt, die vergeht.“ Und wenn das Konzil über jenes Leid klagt, das die „Spaltung der Christenheit“ hervorgerufen hat, oder über den militanten Atheismus, dann spricht es erstmals in der Kirchengeschichte nicht mehr von Ketzern, von Kirchenspaltern oder -feinden, sondern stellt primär die Frage, inwieweit die Kirche selbst, die Gläubigen, die Art der Verkündigung an diesen Phänomenen mitschuldig sein könnten.

Der große brasilianische Erzbischof und Menchenrechtskämpfer Dom Helder Camara, damals Weihbischof von Rio de Janeiro, stieß das Konzil auf die Fragen der Welt: „Sollen wir unsere Zeit darauf verwenden, interne Probleme der Kirche zu diskutieren, während zwei Drittel der Menschheit Hungers sterben? Wird das Konzil seiner Sorge um die großen Probleme der Menschheit Ausdruck geben? Ist das größte Problem Lateinamerikas der Priestermangel? Nein! Die Unterentwicklung!“ Heraus kam – nach dreijährigen Irrungen und Wirrungen, weil noch kein Konzil so etwas gemacht hatte und weil in Fragen der Zeit auch jede unfehlbare Lehrautorität nur in vorläufiger, überholbarer, korrekturbedürftiger Weise reden kann – das Dokument „Gaudium et spes“ oder: „Die Kirche in der Welt von heute“.

Katholisches außerhalb der katholischen Kirche

Pracht und Palaver. Papst Johannes Paul XXIII. eröffnet 1962 im Petersdom das Zweite Vatikanische Konzil.
Pracht und Palaver. Papst Johannes Paul XXIII. eröffnet 1962 im Petersdom das Zweite Vatikanische Konzil.

© epd

"Gaudium et Spes" ist das Konzilspapier, das in vatikanischen Verlautbarungen am seltensten, bei der Kirchenbasis aber am häufigsten zitiert wird. „Gaudium et Spes“ ist die Urkunde dafür, dass sich die Kirche demütig – in ausdrücklicher Ablehnung von Besserwisserei – an die Seite der Menschen stellt. Sie erklärt sich für an keine bestimmte Kultur gebunden; sie erklärt – 1965! – globales Denken im Sinne weltweiter sozialer Gerechtigkeit zum „heiligen Gesetz“.

Die Kirche macht sich nach 1600 Jahren „Konstantinischer Ära“, nach all den Monarchien „von Gottes Gnaden“, frei von jedweder Bindung an Staaten oder Staatsformen. Sie will keine Privilegien, will nirgendwo Staatskirche sein; sie verlangt Religionsfreiheit für alle, weil – und das ist die große Wende des Zweiten Vatikanischen Konzils vom System, von der Institution hin zum Menschen – nicht irgendein abstraktes „Wahres“ mehr Recht haben kann als ein von den herrschenden Verhältnissen als solches definiertes „Falsches“, sondern weil es der Würde jedes einzelnen Menschen entspricht, sich selbst auf die Suche machen zu können. Jedweder Zwang in Religionssachen widerstrebt der Menschenwürde, sagt das Konzil. Und die Piusbrüder sagen an dieser Stelle: Das alles ist Verrat an der heiligen katholischen Tradition, an der einzig wahren Religion.

Die Öffnungen gehen noch weiter: Der Kirchenbegriff des „pilgernden Gottesvolks“, verbunden mit der uralten theologischen Auffassung, dass „Gott das Heil für alle Menschen will“, weicht Trennlinien zu anderen Konfessionen oder zu Suchenden in den Weltreligionen auf. "Außerhalb der Kirche kein Heil": diese traditionelle katholische Maxime ist beiseite gelegt; es kann - Benedikt XVI. hat es vor ein paar Tagen bekräftigt – "Katholisches außerhalb der katholischen Kirche“ geben.

Erst diese neue Akzentsetzung in der Lehre ermöglicht den Dialog – das Konzil sagt: "von gleich zu gleich" - mit anderen christlichen Konfessionen und auch das Gespräch mit anderen Weltreligionen. Zwar macht die Konzilserklärung zu den Weltreligionen keinerlei Abstrich an der Sendung der Kirche: "Unablässig" müsse sie verkünden, dass die „Fülle religiösen Lebens“ nur in Christus zu haben sei; sie hält aber fest, dass andere Religionen „nicht selten einen Strahl jener Wahrheit erkennen lassen, die alle Menschen erleuchtet“, und: „Sie lehnt nichts von alledem ab, was in diesen Religionen wahr und heilig ist.“ Wenn auch in katholischen Kreisen heute wieder behauptet wird, die Muslime beteten zu einem anderen Gott als die Christen, dann widerspricht das eindeutig dem Konzil.

Der augenfälligste Streit um das Konzil hat sich aber an der „lateinischen Messe“ entzündet, und nicht nur die Piusbrüder sind deren Vorkämpfer. Martin Mosebach meint, die neue Messe habe in einer „Häresie der Formlosigkeit“ den alten, einzig wahren, „allzeit gültigen Ritus zerstört“. Doch er selbst fantasiert sich einen alten Ritus zusammen, den es so nie gegeben hat: Die lateinische Messe, um die es geht, ist genau genommen die „Tridentinische Messe“, die nach dem antireformatischen Konzil von Trient, 1570, erst als solche festgelegt worden ist. Sie ist allein auf den Klerus zugespitzt, kennt das „Volk Gottes“, das allen „gemeinsame, königliche Priestertum“ und die „tätige Teilnehmerschaft“ der Gläubigen am Ritus nicht; dafür schleppt sie den alten, engen, statischen, ausgrenzenden Kirchenbegriff bleibend mit sich herum.

Das heißt: Wer jenseits des ästhetischen Reizes, den die „Tridentinische Messe“ auf bildverwöhnte und geistig heimatlose Postmoderne ausüben mag, die allgemeine Rückkehr zu ihr verlangt, der verlangt die Kehrtwende der Kirche insgesamt. Liturgie und Kirchenbegriff gehören untrennbar zusammen. Wer die „Tridentinische Messe“ für alle verlangt, der will die ohnehin kleiner werdende Öffnung der katholischen Kirche zu Welt, Mensch, Konfessionen und Religionen gänzlich rückgängig machen. Die katholische Kirche würde enden als eine in ihre eigenen Bilder verliebte, aber unbedeutende Sekte. Sie würde aussehen wie Schwester Appiana unter ihrem alten Schleier: weiß und blass. Und totenbleich.

Zur Startseite