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Kultur: Klang der Vollkommenheit

Ein Ton erhebt sich über den dumpf dröhnenden Zivilisationsmüll wie ein Meteor, der eine umgekehrte Bahn eingeschlagen hat.Ein Urschrei am Ende des Milleniums.

Ein Ton erhebt sich über den dumpf dröhnenden Zivilisationsmüll wie ein Meteor, der eine umgekehrte Bahn eingeschlagen hat.Ein Urschrei am Ende des Milleniums.Obgleich seit dem Tod John Coltranes mehr als dreißig Jahre vergangen sind, muß sich Pharoah Sanders - inzwischen 57 Jahre alt - immer noch an der kurzen Zeit messen lassen, die er mit Coltrane verbracht hat.Sicher haben die beiden Saxophonisten ein paar revolutionäre Platten eingespielt und den Free Jazz damit auf ein nie zuvor gekanntes spirituelles Level gehoben.Und doch hat Sanders, der mit seinem weißen, unter dem Kinn verknoteten Bart und dem stets ins Jenseits gerichteten Blick wie ein prähistorischer Herrscher wirkt, längst eine ganz eigene Ästhetik entwickelt.Auch sein neues Album "Save Our Children", das erste nach vierjähriger Pause, klingt wie Jazz, doch Sanders meint, er wisse nicht einmal, was Jazz sei.Nein, er wolle einfach Musik spielen, die nach Vollkommenheit strebt.Alles andere sei ihm egal.

Sanders weiß nicht einmal, mit welchen Musikern er im Studio war, um die Platte einzuspielen.Lediglich an den indischen Trommler Zakir Hussein könne er sich erinnern.Der Mann, der die Fäden für ihn zusammenhielt, war Bill Laswell."Save Our Children" ist nun das zweite Album, das der Soundguerillero aus New York für den Saxophon-Oldster produziert hat.Dringt man tiefer in dieses eigentümliche Crossover aus Ambient, Jazz und allen nur denkbaren ethnischen Einflüssen, gewinnt man gar den Eindruck eines Laswell-Albums, bei dem Sanders nur ein auffällig in den Vordergrund gestellter Gast wäre.Doch der Saxophonist hat kein Problem damit."Es sind Klänge und Stimmen, die ich einfangen will.Dinge, die weit über ein Genre oder eine bestimmte Spielweise hinausgehen." Aus dem Sound, den er im Ohr habe, ergebe sich das Konzept der jeweiligen Platte.Den Klang eines Songs trage er in sich, lange bevor er ihn aufnimmt.Nur wüßte er nie so recht, wie er ihn umsetzen sollte.Doch eben dafür hat er zum Glück Bill Laswell.

"Er hat das absolute Gespür für Sounds, kann sich in mein Gehör versetzen.Er weiß exakt, was ich will und bringt dann die richtigen Ingredienzen zusammen." Sanders bezeichnet Laswell als Arrangeur im eigentlichen Sinn.Arrangieren ist ein intellektueller Akt, zu dem Sanders bei seiner Spielauffassung gar nicht in der Lage ist.Er selbst verläßt sich allein auf seine Intuition."Ich spiele, was ich spiele, und du hörst, was du hörst.Mehr kann ich dazu nicht sagen." Ist Pharoah Sanders nun der letzte Schamane oder der erste wirkliche Demokrat jener Musik, die er nicht einmal zu kennen vorgibt? Sein neues Album wird diese Frage nicht beantworten.Wohl aber nimmt sie ihren Hörer für eine Stunde mit in eine andere Welt, eine andere Zeit, ein anderes Bewußtsein.

Pharoah Sanders spielt am Sonnabend im Tränenpalast, 21 Uhr

WOLF KAMPMANN

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