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Kultur: Klar und streng

Berliner Rundfunkchor gewinnt den Grammy

Folgt man der Jury des Grammy, befindet sich der deutsche Klang bei zwei britischen Wahlberlinern in besten Händen: Sie zeichnete am Sonntag den Livemitschnitt von Brahms’ „Deutschem Requiem“ mit dem Rundfunkchor Berlin und den Berliner Philharmonikern in der Kategorie „Beste Choraufführung“ aus. Das goldene Grammophon für die wegen ihrer „Klarheit und Strenge“ gelobte Interpretation bekommen der Chefdirigent des Chors, Simon Halsey, sowie der Leiter Aufführung in der Berliner Philharmonie, Sir Simon Rattle, in die Hand gedrückt. Die „Super-Simons“ kennen sich seit den Zeiten des „Wunders von Birmingham“, als der junge Rattle das zweitklassige City of Birmingham Symphony Orchestra zu Weltruhm führte. Damals hatte Rattle auch den 1958 geborenen, an den Chorschulen von Oxford und Cambridge ausgebildeten Halsey eingeladen, den Chor der City of Birmingham Symphony zu leiten. Nach der Jahrtausendwende sollten sie sich als Chefs zweier deutscher Traditionsensembles in Berlin wiederfinden: 2001 übernahm Halsey die Leitung des Rundfunkchors Berlin. Helmut Koch hatte den 1925 gegründeten, ältestesten deutschen Rundfunkchor nach dem Krieg bald zu einem internationalen Aushängeschild der DDR gemacht und mit ihm bedeutende Schallplattenpreise gewonnen. Kochs Nachfolger Dietrich Knothe konnte das Ensemble erfolgreich in der Chorlandschaft der wiedervereinigten Hauptstadt positionieren. Nach Gründung der Rundfunkorchester- und Chöre GmbH übernahm Robin Gritton 1994 die Stabführung. Unter Halsey hat sich der Chor zum Muster eines modernen Profichors entwickelt: Als begnadeter Kommunikator achtet Halsey nicht nur auf Bühnenpräsenz und einen ausstrahlungsstarken, körperreichen Klang, sondern führt den Chor mit einer Fülle unkonventioneller Projekte zurück in die Mitte einer von Lied und Chorgesang entfremdeten Gesellschaft: Jugendprojekte – zum Teil mit den Berliner Philharmonikern – gehören ebenso dazu wie die populären Mitsingekonzerte oder das Leader-Chor-Projekt mit Führungskräften. Einmal im Jahr führt Halsey den Chor unter seinem Wahlspruch „Broadening the scope of choral Music“ mit großen szenischen Projekten zeitgenössischer Musik programmatisch über die Grenzen traditioneller Chorkonzerte. Das nächste Projekt, Ernst Peppings 1949 entstandener „Passionsbericht des Matthäus“ am 27. Februar im Radialsysten, wird sich mit den Mitteln des dokumentarischen Theaters dem Erbe der deutschen Vergangenheit stellen. Gelingt das auf ebenso anregend populäre Weise wie die vorangegangenen Projekte, ist die Tradition beim Rundfunkchor auch weiter in besten Händen. Carsten Niemann

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