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Klassik: Diego Matheuz: Con emoción

Diego Matheuz und das Scala-Orchester in Berlin: Der junge Venezolaner beeindruckt das Publikum mit seiner genuinen Musikalität und zeigt sich im Konzerthaus am Gendarmenmarkt als echter Stimmungszauberer.

Er sieht gut aus, er ist blutjung und hochbegabt. Diego Matheuz hat also alles, um international ganz groß rauszukommen. Denn seit die Klassik boomt, seit Lang Lang, Netrebko und Co. neue Publikumsschichten für Melodien von früher erschlossen haben, lechzt die Branche nach frischen, telegenen Protagonisten.

In Italien wird der 26-jährige Venezolaner bereits heiß gehandelt, hat bei den besten nationalen Orchestern in Rom, Turin und Florenz seine Debüts absolviert. Auch, dass die Filarmonica della Scala mit Matheuz als Dirigenten zum Berlin-Gastspiel anreist, spricht für sich. Sein Handwerk hat Matheuz im „Sistema“ gelernt, jenem einmaligen Education-Programm, das allen Kindern seines Heimatlandes kostenlosen Musikunterricht bietet. Unter Gustavo Dudamel war er Konzertmeister im „Simon Bolivar“-Jugendorchester. Dort entdeckte ihn Claudio Abbado, der seit Jahren den Winter im milden südamerikanischen Klima verbringt, nahm ihn mit nach Bologna, ließ ihn dort sein Orchestra Mozart dirigieren.

Das öffnete erste Türen – durch die Diego Matheuz mit Selbstbewusstsein schritt. Auch in Berlin beeindruckt er das Publikum mit seiner genuinen Musikalität, zeigt sich im Konzerthaus am Gendarmenmarkt als echter Stimmungszauberer, als frühreifer Meister des Atmosphärischen. Drei Tondichtungen hat er dafür klug ausgewählt: In Anatoli Ljadows „Der verzauberte See“ von 1909 lässt er Nebelschwaden im Zwielicht wabern, Ravels „Daphnis et Chloe“ nimmt er süffig und klangsinnlich, den abschließenden „Feuervogel“ dirigiert er gar auswendig, so vertraut fühlt er sich schon mit Strawinskys früher Partitur.

Und die Mailänder Musiker vertrauen sich dem Venezolaner gerne an, folgen ihm con emozione. Das Zusammenspiel der Instrumentengruppen hat dabei vielleicht nicht ganz jene mitdenkende Präzision, die man von Berliner Spitzenorchestern gewohnt ist, dafür aber bestechen die Italiener durch ein charakterstarkes, rührend altmodisches Klangbild. Vor allem bei den Holzbläsern bringt sich hier jeder mit seiner ganz individuellen, warmen Stimme ins Kollektiv ein.

Zwischen den sinfonischen Programmmusiken ragt Tschaikowskys Violinkonzert hervor: Nikolaj Znaider weiß die Kantilenen zwar mit honiggoldenem Geigenton wunderbar auszusingen, in den rasanten Passagen jedoch fehlt ihm der Spaß am Flirt mit dem Publikum, jene Seht-her!-Attitüde, die Virtuosität über die rein sportliche Bewältigung hinaus erst spannend macht.

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