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Klassik: Lasst mich den Lover auch spielen

Neu im Ensemble der Komischen Oper: eine Begegnung mit Theresa Kronthaler.

2007 inszenierte der ungarische Regisseur David Marton im Berliner Gorki- Theater eine skurrile Adaption der „Matthäuspassion“, die in einem Berliner Caféhaus der 20er Jahre angesiedelt war. Auf der Bühne versammelten sich Sänger, Instrumentalisten und Schauspieler. Der Blick fiel dabei bald auf ein Zimmermädchen, das an einem altmodischen Apparat ihrem Liebsten hinterhertelefonierte. Unvermittelt stimmte sie die berühmte „Erbarme Dich“-Arie an, sich dabei wohl mehr an den abwesenden Geliebten als den Vater im Himmel richtend: „Erbarme dich, Mein Gott, um meiner Zähren willen! Schaue hier, Herz und Auge weint vor dir bitterlich.“ Die Stimme der Sologeige klimperte jemand auf einem Klavier, während der Orchesterpart von Harmonium und Kontrabass übernommen wurde.

Historische Aufführungspraxis sieht anders aus, aber so schön hat man Bachs Arie selten gehört – und diese Stimme, einen runden, zärtlichen und einschmeichelnden Mezzosopran, seitdem nicht vergessen. Die junge Sängerin Theresa Kronthaler ist ab der kommenden Spielzeit festes Ensemblemitglied an der Komischen Oper. Der Wechsel nach Berlin bedeutet für die Künstlerin eine Rückkehr, denn hier hat sie an der Musikhochschule Hanns Eisler studiert. Aufgewachsen ist sie in einer nomadischen Familie: Der Vater war Pianist und Dirigent, sattelte aber auf den Beruf des Musiklehrers um. Von Würzburg, wo Theresa und ihre beiden älteren Brüder ihre frühe Kindheit verbrachten, zog es die Familie bald ins Ausland. Acht Jahre lebte man in Rom, dann, als Theresa die Schule abgeschlossen hatte, ging es weiter nach Alexandria, zur Zeit leben und arbeiten die Eltern in Israel.

Dass Theresa Kronthaler lediglich schlesische und bayerische Vorfahren hat, mag man fast nicht glauben. Vielmehr scheint sie sich in den Ländern, in denen sie aufwuchs, auch optisch akklimatisiert zu haben: In Italien geht sie als Einheimische durch, in Alexandria fand man ihre Nase ägyptisch. Durch den Beruf ihres Vaters war sie immer schon von Musik umgeben, in der entspannten Atmosphäre, die die Vermittlung von Singen und Spielen an Kinder mit sich bringt. Obwohl Theresa schon früh beim Gesangswettbewerb von „Jugend musiziert“ Preise einsammelte, dachte sie zunächst gar nicht an eine Karriere als Berufsmusikerin. Etwas von dieser Entspanntheit und Bescheidenheit hat sich die Sängerin bis heute bewahrt: „Als Mezzosopranistin darf man sich sowieso etwas mehr Zeit lassen.“ Zum einen, weil die Partien dieses Fachs meist mehr Lebenserfahrung voraussetzen als die für, zum Beispiel, Koloratursoprane. Dann aber auch, weil die Stimmen in dieser Lage langsamer reifen.

Kronthalers „Organ“ hat sich bereits aus einem prächtigen Alt in einen Mezzosopran verwandelt, mit flirrenden, bebenden Höhen und bruchlos verschränkten Registern. Nach ihrem Examen wurde sie sofort an eine der größten Bühnen Deutschlands, an die Oper am Rhein, engagiert. Dort, in Düsseldorf und Duisburg, konnte sie sich ein breites Repertoire erarbeiten, das von Händel über Mozart bis zu zeitgenössischen Opern reicht. Die drei Jahre am Rhein, in einem riesigen Ensemble, haben sie allerdings auch mit den schwierigen Aspekten des Berufs vertraut gemacht: Mehr Übernahmen als Neuproduktionen, wenig Probenzeit, Einspringen in Inszenierungen, die man nicht selber mit erarbeitet hat. Dabei liebt Theresa Kronthaler gerade die gemeinsame und geduldige Entwicklung von Stoffen. „Ich habe schon die Hoffnung, dass Oper auch etwas mit Theater zu tun hat“, bemerkt sie bescheiden.

Entscheidend war in dieser Hinsicht sicherlich die Begegnung mit David Marton an der Eisler-Hochschule. Der wagte damals, als eigentlich hoch gehandelter Pianist, den Schritt zur Musiktheaterregie, und gleich bei seiner ersten Produktion war Kronthaler dabei. Mittlerweile hat sie in acht Stücken des Ungarn mitgewirkt, zuletzt in einer der schönsten Aufführungen der letzten Jahre: „Die Rückkehr des Ulysses“, frei nach Monteverdi, an der Berliner Schaubühne. Dabei beeindruckte sie nicht nur mit einer hinreißend gesungenen Rossini-Arie, sondern auch durch die Mühelosigkeit, mit der sie neben so erfahrenen Mimen wie Jule Böwe und Ernst Stötzner schauspielerisch bestand.

Jetzt also der Start an der Komischen Oper: Gerade probt sie dort mit dem Intendanten Barry Kosky für die Eröffnungspremiere, wieder geht es um Monteverdi: eine Trilogie aus seinen drei Hauptwerken. Es handelt sich sicherlich um eines der ungewöhnlichsten aktuellen Musiktheaterprojekte, um einen Marathon, der nicht weniger als 12 Stunden dauern soll. Wie bei Martons „Matthäuspassion“ darf man sich auch hier auf eine Aufführung jenseits jeder Barockmusik-Orthodoxie einstellen, zumal Monteverdi mit Elena Kats-Chernin eine zeitgenössische Komponistin an die Seite tritt.

Kronthaler übernimmt drei Rollen, spielt also eine Freundin Eurydikes, die Orpheus am Ende die Nachricht von deren Tod übermitteln muss, die Gattin Plutos, die sich bei ihrem Gemahl für die Liebenden verwendet, sowie einen stürmischen Jüngling, der als abgewiesener Liebhaber ein Mordkomplott gegen die Angebetete ausheckt. Der Premierentag dürfte dank dieses Rollenspektrums für die Sängerin – wie sie selbst sagt – eine einigermaßen „schizophrene“ Erfahrung werden. In der Spielzeit stehen dann noch Auftritte als Hänsel und Cherubino an. Und für die nähere Zukunft ist auch der Octavian im „Rosenkavalier“ geplant. Auf dieses Debüt darf man sich, gemeinsam mit Theresa Kronthaler, schon einmal unbändig freuen.

Die Komische Oper spielt die Monteverdi-Trilogie ab 16. September.

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