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Kultur: Klatscht nicht so romantisch

Diva bleibt Diva: Ute Lemper mit neuen Liedern in Berlin

Es ist ein bisschen wie ein Klassentreffen. Alle sind älter geworden und gespannt, was aus den anderen geworden ist. Nur ist es eben kein Klassentreffen, sondern eine Wiederbegegnung zwischen Ute Lemper – „dem einzigen deutschen Weltstar“ – und ihrer alten Fangemeinde in Berlin. Die gibt es noch, obwohl Frau Lemper Berlin vor über zehn Jahren den Rücken gekehrt hat. Heute lebt sie mit ihren beiden Kindern in New York, 39 Jahre alt ist sie in diesem Jahr geworden. Ihre alten Anhänger haben keinen Grund enttäuscht zu sein, „die“ Lemper ist immer noch die Lemper. Sie hat sich gut gehalten. Das glitzernde rote Kleid sitzt an ihrem schmalen, biegsamen Körper als wäre sie darin eingenäht – vorn ist es hoch geschlossen, lässt aber den sehr weißen Rücken frei und auch die langen, sehnigen Arme.

An diesem Abend wirkt die Bühne der Deutschen Oper fast intim: Ganz schwarz, nur eine Leinwand im Hintergrund für ein paar Lichtreflexe. Umgeben von ihren ebenfalls schwarz gekleideten New Yorker Musikern wirkt die Sängerin wie eine spitz züngelnde Flamme. Als sie aus dem Bühnendunkel nach vorne tritt ins Licht begrüßt sie anerkennender Berlin war nicht immer so freundlich zu ihr. Als sie 1992 im Theater des Westens ausgerechnet die Lola in einer schwachen Musicalfassung des Filmklassikers „Der Blaue Engel“ spielte, machten Kritiker hämische Beinlängenvergleiche mit der Dietrich. Nach ihrem ersten Song verneigt sich Lemper ein wenig süffisant und haucht ein „Guten Abend, Berlin“ ins Mikrofon. „Ja, alle Jahre wieder – und ich bin noch keine 65“. Gemeint ist mit der Anspielung Marlene D., die Berlin ja auch lange gemieden hatte, etwas hoch gegriffen vielleicht, hatte doch Lempers Gang in USA keinerlei politische Dimension. Das Publikum ist trotzdem amüsiert. Man ist gekommen, um eine Diva zu sehen – und Diven dürfen gerne zickig sein.

Die Lemper tourt durch Deutschland, um ihre neue CD „But One Day“ vorzustellen, wobei „neu“ in diesem Fall relativ ist – handelt es sich doch eher um eine Art Querschnitt ihres bisherigen Schaffens. Wie immer sind Stücke von Weill, Eisler und Brel dabei, auf die sich ihr Erfolg als Chansonette vor allem stützt. Aber auch ein bisschen Tangoschwermut klingt an: Piazzolla auf Englisch, weil sie „leider“ kein Spanisch spreche. Auch Eigenkreationen der Diseuse sind zu hören, Songs, die sie zwischen allen Kontinenten geschrieben habe, irgendwo am Himmel zwischen Nord- und Südamerika und Europa.

Lemper singt auch an diesem Abend vor allem auf Englisch, nur bei Brel macht sie einen kurzen Ausflug ins Französische und ab und an, etwa bei Texten von Brecht, auch ins Deutsche. Stimmlich zieht sie alle Register. Sie jault, kreischt, säuselt und flüstert, lässt ihre Stimme knacken wie eine defekte Telefonleitung, um sie dann wieder in die klarsten Höhen zu treiben. Es ist schon überwältigend und technisch ziemlich perfekt, aber es ist auch ein bisschen dicke. Lemper bereitet ihren Zuhörern ein Wechselbad der Gefühle, bei dem das persönliche Temperaturempfinden ziemlich schnell streikt.

Ihr Rollenspiel ist perfekt. Lemper ist Marlene und Greta, Deutschland 1920, New York heute und dann noch ein bisschen Argentinien, Paris und Amsterdam. Und dann sieht sie wieder aus wie Mischung aus Tim Fischer und Sabine Christiansen. Im besten Fall erinnert ihr Auftritt an den Film „Moulin Rouge“, der eine witzige Tour de Force durch alle Musical- und Operettenstile des letzten Jahrhunderter war, dabei aber am Ende aus der Kurve getragen wurde. Ute Lemper nimmt den Kitsch leider immer ernst. Ihre besten Momente sind die komischen, wenn sie leiser wird und reduzierter, und den ganzen poppigen Schwulst einmal weglässt. Wenn sie dann ihre Augen aufreißt, kokett mit ihnen klimpert oder sie auch mal in tragischer Pose gen Bühnenhimmel richtet, die vorwitzige Nase in den Himmel gestreckt und die hohen Bögen der Augenbrauen aufs äußerste spannt: dann ist sie einfach sehr, sehr gut. Aber eher im Sinne eines fröhlichen Buster Keaton als einer großen Diva.

Christine Meffert

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