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Kultur: Klein, fein und erfolgreich

Fragt man im französischen Saintes nach, warum Philippe Herreweghes Musik-Festival die Zusammenarbeit mit dem RIAS-Kammerchor so intensiv ausbaut, erhält man die Antwort: Weil er einer der besten Chöre Europas ist.Kein anderer der fünf professionellen Chöre Berlins ist derzeit international so gefragt wie der kleinste und jüngste unter ihnen.

Fragt man im französischen Saintes nach, warum Philippe Herreweghes Musik-Festival die Zusammenarbeit mit dem RIAS-Kammerchor so intensiv ausbaut, erhält man die Antwort: Weil er einer der besten Chöre Europas ist.Kein anderer der fünf professionellen Chöre Berlins ist derzeit international so gefragt wie der kleinste und jüngste unter ihnen.Das ist zweifellos der Zusammenarbeit mit prominenten Vertretern der historischen Aufführungspraxis wie René Jacobs und Philippe Herreweghe mitzuverdanken.Zudem sichert ein Exklusivvertrag mit dem Qualitätslabel harmonia mundi france Beachtung auf dem internationalen Medien-Markt.Vor allem aber profitiert der RIAS-Kammerchor von dem Geschmackswandel, der sich im Klassik-Bereich in den letzten Jahrzehnten vollzogen hat: weg von den pastosen Breitenwirkungen kompakter Massenbesetzungen, hin zu hochprofessionalisierten, quasi solistisch agierenden Kammerensembles.

Die Anfänge des Chors reichen bis ins Jahr 1946 zurück.Damals beschloß der "Drahtfunk im amerikanischen Sektor", der wenig später der "Rundfunk im amerikanischen Sektor", RIAS, werden sollte, einen Rundfunkchor zu bilden und a-cappella-Programme zu senden.Zurückgreifen konnte man auf ein kleines Ensemble, das Karl Ristenpart für Bachsche Kantatenaufführungen zusammengestellt hatte.Zwei Jahre arbeitete es auf Stundenlohn-Basis, dann erhielten die Sänger Festanstellungsverträge.Deren Datum, der 15.Oktober 1948, gilt als Gründungstag des RIAS-Kammerchors.

Ristenpart übergab den Chor Herbert Froitzheim, der ihn mit strenger Hand zu einem Ensemble mit professionellem Niveau heranzog.Unter Froitzheim und seinem bis 1972 amtierenden Nachfolger Günther Arndt war zunächst Grundlagenarbeit zu leisten.Als deren Basis wurde der unbegleitete a-cappella-Gesang definiert.Die ganze von den Nazis verdrängte Chorliteratur der Moderne wurde für den Rundfunk sukzessive eingespielt, Neue Musik energisch gefördert, an der Alten Musik und der Literatur der Romantik die Klangkultur geschult.

Noch heute machen die Grundlinien der Gründerväter das Profil des RIAS-Kammerchors aus.Primäre Bedeutung mißt das Ensemble nach wie vor seinen a-cappella-Programmen bei.Hier wird das kammermusikalische Musizierideal in der täglichen Probenarbeit an seinen Ursprung zurückgeführt und erneuert.Auch die kontinuierliche Auseinandersetzung mit den immensen technischen Anforderungen zeitgenössischer Werke bleibt zentraler Anspruch der Chorarbeit.An ihnen entwickelt und hält man jenen Standard traumwandlerischer Intonationssicherheit und rhythmischer Präzision, der dem Ensemble seinen spezifischen Charakter und seinen herausragenden Platz gerade auch innerhalb der internationalen Alte-Musik-Szene sichert.Die Weichen in Richtung historische Aufführungspraxis stellte seit 1972 Uwe Gronostay.Marcus Creed konnte 1987 hierauf aufbauen.Im nachhinein läßt sich schwer einschätzen, ob der Ausstrahlungsradius des Ensembles durch "Spezialisierung" tatsächlich internationaler geworden ist.Mit Stars von Ferenc Fricsay über Karajan bis Abbado hat es zusammengearbeitet.Feststeht, daß es heute, im 50.Jahr seines Bestehens, zu einer unverkennbaren Größe im Konzertbetrieb geworden ist und Maßstäbe setzt für die Aufführungspraxis unserer Zeit.

Heute um 20 Uhr findet im Kammermusiksaal ein Jubiläumskonzert statt.

BORIS KEHRMANN

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