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Kultur: Kleine Wunder Krystian Zimerman

in der Philharmonie.

Ein Heiliger, und die Philharmonie lauscht auf den Knien. Wenn die Leute nicht gerade husten, Stifte und Brillen fallen lassen, die Plätze tauschen oder ganz hinausgehen. Zum 50. Bühnenjubiläum des Pianisten Krystian Zimerman, an diesem Abend also, an dem noch Claude Debussys 150. und irgendwie auch Deutschlands Geburtstag begangen wird, soll alles perfekt sein. Das Programmheft mahnt fettgedruckt, nichts heimlich mitzuschneiden, und noch der philharmonische Intendant Martin Hoffmann eilt auf die Bühne, um dasselbe zu sagen, „es würde der Musikalität schaden“. Druck von oben also, und das Publikum büxt aus. Die meiste Zeit aber lässt es sich natürlich ein auf den 1956 geborenen Zimerman, einen Grandseigneur am Klavier, der selbst eine gerissene Saite mit höflicher Lakonie aus dem Flügel zieht und zur Seite legt. Zu hören sind Kompositionen, für deren Interpretation Zimerman Maßstäbe gesetzt hat, etwa Debussys „Estampes“ und einige der Préludes, darunter die „Schleier“, das „Mädchen mit dem flachsfarbenen Haar“ oder die „Schritte im Schnee“. Zimerman ist kein Zauberer. Er spielt seinen Debussy nicht, wie andere, auf einem gleichsam elektrifizierten Piano, das auf zarteste Anschläge wie erschüttert reagiert. Stattdessen zählen gerade die „Schritte“ mit ihrer ostinaten Figur, die sich festhält an wenigen Tasten, zu den kleinen, großen Wundern an diesem Abend, als Kontemplation über den Unterschied zwischen Einfachheit und Einfältigkeit. Ganz ähnlich bleibt Zimerman in der dritten Chopin-Sonate bei sich, greift im ersten Satz wohl aus in ein glitzerndes Leggierissimo, verkünstelt sich aber nicht in den schlicht-schönen Weisen des Largo, wird in den Fortissimi des Finale nicht knallend, eher brummend wie ein sehr teurer Automotor. Jubel zum Schluss und eine Ansprache vom Hocker aus: wie anders die politische Situation vor wenigen Jahrzehnten gewesen sei, wie dankbar man sein dürfe. Er, Zimerman, wolle nun ein Stück spielen, das vor langer Zeit für diesen Abend geschrieben worden sei. Und leise funkelt die Mondscheinsonate, mit „Happy-Birthday“-Melodie. Christiane Tewinkel

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