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Kultur: Klimakonferenz in Bonn: Erhitzte Atmosphäre

Am heutigen Montag kommt sie in Bonn an, die Klima-Karawane. Vor knapp zehn Jahren haben sich die Staatschefs aus 154 Ländern in Rio de Janeiro zum ersten Umweltgipfel getroffen, danach sind sie nach Genf gezogen, nach Berlin, und 1997 haben sie in Kyoto Rast gemacht.

Am heutigen Montag kommt sie in Bonn an, die Klima-Karawane. Vor knapp zehn Jahren haben sich die Staatschefs aus 154 Ländern in Rio de Janeiro zum ersten Umweltgipfel getroffen, danach sind sie nach Genf gezogen, nach Berlin, und 1997 haben sie in Kyoto Rast gemacht. Dort haben sie sich immerhin darauf verständigt, die klimaschädigenden Emissionen von 2008 bis 2012 um mindestens fünf Prozent zu senken. Schließlich zog die Karawane der nunmehr 175 Staatschefs und ihrer Minister weiter nach Buenos Aires und kam im November 2000 in Den Haag an. Dort haben sie gestritten und verhandelt, gefeilscht und taktiert, aber sie haben sich nicht geeinigt.

Zum Thema Rückblick: Der gescheiterte Klimagipfel in Den Haag Dürfen Wälder, Ackerflächen und wiederaufgeforstete Flächen als Beitrag zur Minderung des Kohlendioxidausstoßes angerechnet werden? Wie wollen die Staaten den Handel mit Emissionszertifikaten regeln? Dürfen Länder ihre gute Emissionsbilanz überhaupt an Klimakiller-Staaten wie die USA verkaufen? Wer überwacht den Handel? Die Minister haben zermürbende Nächte hindurch konferiert; ihrem Ziel sind sie nicht näher gekommen: einem Konsens. So scheiterte sie, die Konferenz von Den Haag.

Ab Donnerstagabend wollen die Minister nun in Bonn erneut versuchen, sich auf eine völkerrechtlich verbindliche Regelung zu einigen. "Die Lage ist ernst, aber nicht hoffnungslos", heißt es im Bundesumweltministerium in Berlin. Nachdem US-Präsident George W. Bush das Protokoll von Kyoto für "tot" erklärt hat, schwanken auch Australien und Japan, ob sie ein Klimaschutzabkommen unterzeichnen wollen. Japan - immerhin die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt - steckt in einer Zwickmühle: Regierungschef Koizumi möchte seinen starken Verbündeten USA nicht verärgern, indem es sich auf die Seite der Europäer schlägt. Andererseits will Japan auch nicht das in Kyoto, auf japanischem Territorium, ausgehandelte Protokoll verhindern. Am Sonntag hat Japans Staatschef bereits vorgebaut und erklärt, er gehe nicht davon aus, dass es zu einer Lösung in Bonn kommen könnte. Er fügte hinzu, er werde sich aber weiter für eine Einigung mit den USA einsetzen.

Putins Interesse

Ob der Einsatz erfolgreich sein kann, bleibt abzuwarten, denn bisher scheint Bush eher daran interessiert zu sein, als Klimafeind in die Geschichte einzugehen. Immerhin hat er signalisiert, die Einigung zumindest nicht zu blockieren, sondern sie zu tolerieren. Japan hat sich mit seiner vermeintlichen Mittler-Rolle eine bessere Verhandlungsposition verschafft. Denn eines ist klar: Ohne die Zustimmung Japans wird ein Protokoll nicht zu Stande kommen. Vor allem deshalb kann es von der Europäischen Union mehr Zugeständnisse bei der Anrechnung von so genannten Senken fordern. Das sind Kohlendioxidspeicher wie zum Beispiel Wälder. Ob Japan nach der Ankündigung Koizumis am Sonntag tatsächlich in Bonn bis kurz vor einem möglichen Scheitern schachern wird, um in letzter Minute umzuschwenken, bleibt eine der spannenden Fragen in der Woche.

Der zweite entscheidende Staat heißt Russland. Damit das Protokoll rechtsverbindlich wird, müssen 55 Staaten den Vertrag ratifizieren. Diese Staaten müssen allerdings auch für 55 Prozent der CO2

Emissionen der Industrieländer verantwortlich sein. Da die USA allein 36 Prozent der Treibhausgase aller Industrieländer ausstoßen, sind Russland und Japan um so wichtiger. Russlands Präsident Putin ist auch an einem Zustandekommen des Vertrags interessiert - vor allem aus einem Grund: Er will Geld mit den Emissionszertifikaten verdienen.

Anfällig für Dürren und Stürme

Die strengen Verhandlungsführer der Europäischen Union und auch der deutsche Umweltminister Jürgen Trittin sorgen sich jedoch, dass auch Russland seine Senken unbegrenzt anrechnen lassen möchte. Zusammen mit der "heißen Luft" - den Emissionsminderungen durch den industriellen Zusammenbruch Russlands seit 1990 - bräuchten die Russen über Jahre keine weiteren Anstrengungen zu unternehmen. "Die Senken müssen streng begrenzt werden", heißt es im Umweltministerium. Dennoch könnten Einzellösungen über Tonnenmengen von CO2

für bestimmte Länder gefunden werden, um sie mit ins Boot zu bekommen.

Die Europäische Union als Hüterin des Klimaprotokolls von Kyoto kann sich zumindest auf die G 77, die Gruppe der Entwicklungsländer, weitgehend verlassen. Die unterentwickelten Länder des Südens sind noch anfälliger für Dürren, Stürme, Überschwemmungen und Flutwellen der Klimaveränderung. Denn mittlerweile fliehen mehr Menschen vor Naturkatastrophen, als vor kriegerischen Auseinandersetzungen. Sie verlassen ihre Heimat, können also den Ackerboden nicht mehr bestellen, verarmen, hungern und können ihre Kinder nicht ausbilden. Die armen Massen werden zu einer politischen Bedrohung in den Ländern des Südens und zu einer Herausforderung für die reichen Staaten des Nordens. Die Entwicklungsländer wollen also unbedingt ein Abkommen, aber sie wollen auch die bereits ausgehandelte eine Milliarde Dollar im Jahr für einen Technologietransfer.

Das Geld zusammenzubekommen wird den Industriestaaten schwer fallen, nachdem die USA ausgestiegen sind. Es wird schwierig für die Klima-Karawane. Noch einmal wird sie vielleicht nicht die Kraft, das Durchsetzungsvermögen, den Einigungswillen haben, um gemeinsam weiterzuziehen. Wenn die Minister sich nicht einigen, werden sie Jahre brauchen, um erneut zusammenzufinden. Es fügt sich daher, dass die Staatschefs der acht mächtigsten Industrieländer auf ihrem Gipfel in Genua zusammensitzen. Wenn das eine oder andere Land der G 8 nicht mitzieht, werden die Staatschefs den Renitenten vielleicht beim Kamingespräch überzeugen können.

Ulrike Fokken

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