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Kultur: Klimaschutz ohne USA: Mit Reserven

Es sieht nicht gut aus für den weltweiten Klimaschutz. Vor allem dann nicht, wenn die USA jetzt endgültig ausscheren.

Es sieht nicht gut aus für den weltweiten Klimaschutz. Vor allem dann nicht, wenn die USA jetzt endgültig ausscheren. Damit das 1997 nach zähem Ringen verabschiedete Kyoto-Protokoll zur Reduzierung der Treibhausgas-Emissionen in Kraft treten kann, müssen 55 Staaten das Abkommen unterzeichnen. Der Abgas-Ausstoß in diesen Ländern muss zugleich mindestens 55 Prozent der Emissionen aller Industrienationen ausmachen. Nun will der Klimaverschmutzer Nummer eins von den in Kyoto vereinbarte Zielen abrücken, wie US-Präsident George W. Bush gegenüber dem deutschen Bundeskanzler bekräftigte. Ob sich die EU-Staaten dann etwa mit den osteuropäischen Beitrittskandidaten, Russland und Japan einigen können, den Vertrag auch ohne die USA in Gang zu bringen, ist fraglich.

Grafik: CO2-Emissionen weltweit

Die internationale und nationale Umweltpolitik haben in den vergangenen Jahren allerhand bewegen können. "Von Kyoto ging ein starkes Innovationssignal aus", sagt Christoph Bals, Klimaexperte bei der Organisation Germanwatch. Allenthalben gibt es Bemühungen um eine effizientere Energienutzung, um neue Wege in der Stromerzeugung oder der Antriebstechnik von Autos.

Wo der Raps sprießt

Was da keimt, ist nicht immer so weithin sichtbar wie die Windturbinen, deren Erfolgsgeschichte sich auch in den kommenden Jahren an der Küste oder auf hoher See fortsetzen wird - in Dänemark wie in Deutschland. Auch die Felder, auf denen nachwachsende Rohstoffe wie Raps für Biodiesel sprießen, werden beständig größer. In der Stahlproduktion haben Elektrolichtbogenöfen die Hochöfen abgelöst. Der Energiebedarf ist dabei nur noch halb so groß - genauso wie bei der Produktion von Recyclingpapier anstelle von normalem Papier. Vielerorts wird die bei der Stromerzeugung entstehende Wärme heute genutzt und zur Heizung von Gebäuden eingesetzt.

Der Antrieb für solche Innovationen war und ist nicht der Klimaschutzgedanke allein. Er paart sich aber immer öfter mit wirtschaftlichen Erwägungen. Das ist insbesondere in der Autoindustrie zu beobachten.

"Heute wird der Kraftstoffbedarf im Verkehrssektor zu über 98 Prozent durch Öl gedeckt", sagte Gerhard Isenberg, Leiter Energiephysik bei Daimler-Chrysler, in dieser Woche bei der Deutschen Physikertagung in Hamburg. Doch mittelfristig müssten neue Kraftstoffe her. Denn die weltweiten Ölreserven sind begrenzt.

Das bekommen derzeit auch die USA zu spüren. Dort ist das Benzin zwar nach wie vor billig. Die Autos wachsen zu Kleinlastern heran, zu den in Mode gekommenen "Sports Utility Vehicles". Doch langsam geht den verschwenderischen Amerikanern das Öl aus, das im Nordwesten der Staaten zusammen mit Erdgas Hauptenergielieferant ist.

Nordamerika habe 65 Prozent seiner Erdölvorräte verbraucht, sagt Fritz H. Barthel, Direktor der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe in Hannover. "Russland hat noch gewisse Reserven." Der Rest liege vor allem in den Feldern der Opec-Staaten. Die weltweite Förderung werde etwa vom Jahr 2020 an zurückgehen. Neue Funde seien nicht zu erwarten. "Es wird künftig eine zunehmende Abhängigkeit von den Opec-Ländern geben", ergänzt Wolfgang Dönitz, Forscher bei Daimler-Chrysler. "Gleichzeitig rechnet man mit einem Anstieg des Verkehrs von heute 900 Millionen Fahrzeugen auf 1,6 Milliarden im Jahr 2030."

Konzerne wie Daimler-Chrysler oder BMW setzen daher auf neue Kraftstoffe. "Wasserstoff ist unbestritten der Energieträger der Zukunft", sagt Andreas Schüers, Forscher bei BMW. "Wir haben Wasserstoff bereits erfolgreich im Pkw eingesetzt."

Die Automobilkonzerne bemühen sich vor allem um eine Weiterentwicklung und Verbilligung der Brennstoffzelle. Sie möchten das teure Platin als Katalysator künftig sparsamer einsetzen und neue Materialien für höhere Einsatztemperaturen finden. "Die Brennstoffzelle wird den Einstieg in erneuerbare Energien leichter machen", sagt der Elektrochemiker Rudolf Henne.

"Beträchtliche Anteile des Kraftstoffbedarfs können künftig aus erneuerbaren Energien gewonnen werden", sagt auch Gerhard Isenberg. "Einen Königsweg bei den regenerativen Energien gibt es jedoch nicht. Wir müssen lokal angepasste Technologien haben." Wo Raps, Holz, Stroh, Wind oder Sonne zum Tragen kommen, wird künftig ganz vom Standort abhängen.

Bedenkenträger in Übersee

Die Entwicklung der entsprechenden Technologien wird wesentlich durch die politischen Rahmenbedingungen vorangetrieben. Das gilt für die Automobilindustrie, mehr noch für Hausheizanlagen oder die Erforschung neuer Wärmedämmstoffe. Europa hat hier gegenüber den USA einen klaren Innovationsvorsprung. Anders als in der Bio- oder Informationstechnologie sitzen die Bedenkenträger diesmal in Übersee.

Zum Thema Rückblick: Der gescheiterte Klimagipfel in Den Haag Der USA ist es bisher nicht gelungen, eine Modernisierung der Energieerzeugung und -nutzung einzuleiten. G. W. Bush, von Umweltschützern auch schon zum "Global Warming Bush" gekürt, denkt im Gegenteil daran, in der Arktis weiter nach Öl zu bohren. Das hilft den USA weder aus der Klemme, noch ist es mit dem in Kyoto ins Auge gefassten Ziel zu vereinen, die natürlichen Lebensgrundlagen zu erhalten und dazu die Kohlendioxid-Emissionen bis zum Jahr 2050 um 80 Prozent zu reduzieren.

"Wir können aus der Kernenergie aussteigen und die 80 Prozent erreichen", unterstrich dagegen in Hamburg Harald Bradke, Leiter der Abteilung Energietechnik und Energiepolitik am Fraunhofer-Institut in Karlsruhe. "Wir müssen dazu nicht auf neue Techniken warten, wir müssen sie nur einsetzen. Und es ist sinnvoll, möglichst viele Optionen dabei zu nutzen." Die Gesamtkosten der Energie am Bruttoinlandsprodukt, die heute bei acht Prozent lägen, würden dann auch 2050 nicht höher liegen.

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