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Kochen: Drei-Sterne-Geplauder

Der Kochkünstler Rirkrit Tiravanija hat seine Künstlerfreunde filmisch porträtiert.

Jorge Pardo spaltet das Spanferkel mit Hammer und Meißel. Bildhauer auch beim Grillen. Carsten Höller kocht Ei mit Shrimps für seine Vögel. Douglas Gordon setzt Espresso auf. „Chew the Fat“ – Plauderei hat Rirkrit Tiravanija seine filmischen Porträts von elf Künstlerfreunden genannt, die jetzt in der Galerie neugerriemschneider zu sehen sind (Preise auf Anfrage). Seit 2006 sammelt der thailändische Künstler Material für dieses Projekt. Wie in einem Salon können sich die Besucher auf Kissen zwischen den Monitoren niederlassen und entspannt den Gesprächen mit Elizabeth Peyton, Liam Gillick, Pierre Huyghe oder Angela Bulloch lauschen.

„Ne travaillez jamais“ – Arbeitet nie! mit diesem Slogan der Pariser Situationisten hatte Tiravanija vor vier Jahren bei der Art Basel die Koje seiner Galerie dichtgemacht. Die Vordenker der 68er- Bewegung träumten davon, den Alltag künstlerisch zu gestalten. Konsequent nimmt Tiravanija mit der Kamera nicht an der Arbeit, sondern am Leben seiner Kollegen teil; er isst, wandert und angelt mit ihnen. Das Thema dieser Generation – der Mechanismus gesellschaftlichen Zusammenlebens – wird so zum dramaturgischen Element des Films.

Zwar wehren sich alle gegen ein Label, aber „Chew the fat“ knüpft geistige Beziehungen und macht die Gemeinsamkeiten dieser Generation deutlich. Ihre Biografien sind geprägt vom modernen Nomadentum. Sie alle fragen sich: Wie lässt sich die Welt bewohnbar machen? Andrea Zittel entwirft Unterkünfte, in denen man auch in der Unwirtlichkeit der kalifornischen Wüste autark bleiben kann. Der Kubaner Jorge Pardo bastelt in Los Angeles verträumte Interieurs. Tobias Rehberger hat gerade für die Gestaltung der Cafeteria bei der Venedig-Biennale den Goldenen Löwen erhalten.

„Chew the fat“ ist ein gelassener Vertrauensbeweis. Da begegnen sich Spezialisten des gleichen Metiers. Tiravanija hört freundlich zu. Wenn er sich umgekehrt von Elizabeth Peyton im Gemälde porträtieren lässt, herrscht professionelle Konzentration. Unbefangen beginnt die Künstlerin auf einer eingefärbten Glasplatte zu zeichnen und erzählt dabei mit mädchenhafter Stimme von ihren Anfängen. Dann nimmt Peyton ihre große Brille ab, kneift die Augen zusammen und studiert selbstvergessen den Filmemacher. In diesem kurzen Moment der Versenkung scheint die Kamera vergessen. Elizabeth Peyton, die gerne Gesichter zu morbider Schönheit idealisiert, zeichnet mit der linken Hand. Die Rechte ist versehrt.

Überhaupt die Hände: Liam Gillick federt mit seinen zehn Fingern im Takt der Musik. Der Fußballfan Douglas Gordon hat martialische Tattoos um die Handgelenke. Die geraden, energischen Finger von Carsten Höller sprechen eine andere Sprache als seine empfindliche Miene. Höller ist beides: studierter Landwirt und Künstler. Einer aber bleibt unsichtbar. Maurizio Cattelan, der große Schweiger. Wenn sein Name fällt, erscheint ein verschwörerisches Grinsen auf den Gesichtern. „Goofy“ nennt ihn Elizabeth Peyton und erzählt, er habe ihr ein weißes Kaninchen geschenkt. Jenes Tier, das man aus dem Hut zaubern und verschwinden lassen kann. Über solche Seitenwege gewinnt der Betrachter einen völlig neuen Blick auf die Künstler.

Tiravanijas elf Freunde leben in Stockholm, New York, Berlin oder Paris wie Philippe Parreno und Dominique Gonzalez-Foerster. Der Film aber verankert sie in einem gemeinsamen gedanklichen Raum. Sie beschäftigen sich mit kultureller Interaktion. Dazu gehört auch die Massenkultur im Kino oder Fußballstadien. Die Betrachter nehmen Teil am geistigen Entstehungsprozess der Kunst. Mit glänzenden Augen schwärmen die Künstler vom nächsten Projekt. Dabei sitzen sie in hochgerüsteten Studios am Laptop, daneben die Wasserflasche – pragmatische Utopisten. „Chew the fat“ – diese Plauderei ist für Betrachter nicht nur nahrhaft, sondern auch ein Genuss.

Galerie neugerriemschneider Linienstraße 155, bis 5.9.; Di–Sa 11–18 Uhr.

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