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Köln: Fassadenstück

Nächste Posse der Kölner Kulturpolitik: Das alte Schauspielhaus soll abgerissen werden und ein neues gebaut werden.

Der Beschluss erfolgte in dunkelster Winternacht. Und er hat Chancen zum Startschuss für die nächste Posse der Kölner Kulturpolitik zu werden. Nachdem jahrelang in der Bürgerschaft darüber diskutiert wurde, was mit dem renovierungsbedürftigen Schauspielhaus am Offenbachplatz geschehen soll, hat der Stadtrat nun ohne Not dessen Abriss und einen Neubau beschlossen. Eine Entscheidung, die außer bei Opernintendant Uwe-Eric Laufenberg in der Kölner Kulturszene mehrheitlich auf Unverständnis stieß. Allen voran Schauspielchefin Karin Beier, die anschließend höhnte: „Ich freue mich, dass Köln so reich ist und sich diese Großinvestition leisten kann!"

Tatsächlich wäre die Sanierung des alten Schauspielhauses die klügere Alternative gewesen. Gegen einen Neubau sprechen nicht nur mindestens 30 Millionen Euro Mehrkosten, sondern auch Unwägbarkeiten, obwohl sich die Stadtoberen zu einer „abgespeckten“ Variante durchgerungen haben, die sich auf 295 Millionen Euro statt 364 Millionen beläuft. Doch auch diese Summe, so das beauftragte Architektenbüro, gilt nur, „wenn alles gut geht“, also keine archäologischen Funde dazwischenkommen.

Ein weiteres Argument gegen den Abriss heißt Respekt vor der eigenen Architekturgeschichte. Schließlich wurden Schauspielhaus und die benachbarte Oper 1962 von Wilhelm Riphahn als Fanal gegen die Nazi-Ideologie errichtet und stehen unter Denkmalschutz. Den Tausch gegen einen ebenso gesichts- wie geschichtslosen Koloss, der die bislang dominante Riphahn-Oper in den Hintergrund drängen würde und mit seiner Lamellen-Fassade den diskreten Charme eines Kaufhauses verströmt, halten viele für typisch kölsche Großmannssucht. „Nichts wirkt provinzieller als eine ,große Geste’, die zu kurz greift“, heißt es im Aufruf gegen den Neubau, den so prominente Bürger wie Rosemarie Trockel, Jürgen Flimm oder Alice Schwarzer unterschrieben haben. Sie befürchten, dass angesichts angekündigter Kürzungen des Kultur-Etats das neue Schauspielhaus genau jenes Geld verschlingt, das für eine inhaltliche Theaterarbeit notwendig wäre. Protzige Fassade und dank Sparkurs nicht viel Bühnenkunst dahinter? Nicht nur Schauspiel-Intendantin Beier sieht diese Gefahr und gibt sich deswegen trotz Ratsbeschluss weiterhin kämpferisch. Sich „den Neubau ans Revers zu stecken und uns zugleich totzusparen, ist lächerlich“, meinte sie bissig und kündigte Widerstand gegen eventuelle Kürzungen an, „sodass es die ganze Stadt merkt“. Gisa Funck

Gisa Funck

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