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Kultur: Köln versucht, den dahindämmernden Quartieren mehr Gewicht und Ansehen zu verleihen

Der echte Kölner hat sich mit dem Rhein als Ostgrenze eingerichtet. Leverkusen oder gar Düsseldorf liegen für ihn am fernen, jenseitigen Ufer.

Der echte Kölner hat sich mit dem Rhein als Ostgrenze eingerichtet. Leverkusen oder gar Düsseldorf liegen für ihn am fernen, jenseitigen Ufer. Indes, den ungeliebten Weg über die Hohenzollernbrücke oder die Deutzer Brücke hinüber in die rechtsrheinischen Gefilde der Stadt, den schlagen die Kölner jetzt immer häufiger ein.

Mit dem neuen Technischen Rathaus und der "Kölnarena" versuchte die Stadt, den in Bedeutungslosigkeit dahindämmernden Quartieren in Deutz, Kalk und Mühlheim mehr Gewicht und Ansehen zu verleihen. Aber vor allem seit die Kölner Haie mehr Publikum nach Deutz locken als die drittklassigen Kicker des 1. FC ins linksrheinische Müngersdorfer Stadion, hat sich die Ostwanderung innerhalb der Stadt verstärkt.

Städtebaulich war der Osten Kölns bislang Niemandsland. Seit kurzem jedoch zieht mitten in Deutz, direkt am Bahnhof, das "Henkelmännche" alle Blicke auf sich. Ein stählerner Bogen wölbt sich achtzig Meter hoch in den Himmel, an dünnen Stahlseilen abgehängt, das Dach der neuen Stadthalle (neudeutsch: "Event-Halle") daran angehängt. Der im Grundriss ovale Bau steht nicht als Solitär da, er ist vielmehr von sechs- bis achtgeschossiger Umbauung mit Bürohäusern umgeben. Ein hochaufragendes gänzlich begrüntes Parkhaus bildet die Abgrenzung gegen den Bahndamm.

Der Name des ausführenden Architekturbüros könnte in Kölner Ohren wohlklingender nicht sein. Peter Böhm, der den Wettbewerb für sich entschieden hat, ist nach Großvater Dominikus und dem berühmten Preisträger Gottfried in dritter Generation Architekt im Kölner "Büro Böhm".

Der Stadt ist es gelungen, was in Berlin nicht möglich schien: eine Großereignishalle auf privatwirtschaftlicher Basis bauen und betreiben zu lassen. Natürlich sieht man als Investor nicht ungern einen Großmieter wie die Stadt selbst, die auf 100 000 Quadratmetern ihr Technisches Rathaus eingerichtet hat - in einem passablen Bürobau mit Kammstruktur und Fassadengestaltung in Backstein und rotem Stahl. Durchaus beeindruckend die fast 200 Meter lange, ansteigende Erdgeschosshalle. Die Halle selbst thront auf einer Anhöhe, in deren Katakomben Betriebsräume, ausgedehnte Tiefgaragen, Anlieferungsverkehr und ein veritabler U-Bahnbetriebshof rumoren.

Und drinnen spielt die Musik. Ob fahnenschwenkende Eishockeyfans, ob gesetztere Konzertbesucher oder leger gekleidete Freunde der Rockmusik, alle wirken mit in der großartigen Inszenierung des Ankommens, Eintretens, der Vorfreude. Hinter der gläsernen Außenhaut wird das Gewoge auf den Treppenkaskaden sichtbar, auf denen sich 20 000 Besucher zu den Rängen bewegen, die Umgänge mit den Shops, Bars und Kneipen, wo man sich für die Veranstaltung eindeckt oder während der Pausen vergnügt.

Wie selten ist es vor und in der Halle gelungen, die Bilder- und Schilderflut der kommerziellen Rahmenhandlung zu kanalisieren. Die Innenwand des Foyers, also die Außenwand des Saalkörpers, ist ringsum als Leuchtglaswand mit aufgedruckten Stadtbildern gestaltet. Werbung wird zum Dekor verfremdet. Auch im Inneren der Arena gelang es, die allgegenwärtige Werbung zu domestizieren, wodurch sie zu einem Teil der Architektur wird. Natürlich ist die Halle vielfältig nutzbar, lassen sich Tribünen ein- und ausfahren, gibt es VIP-Lounges, natürlich sind Kölner Tribünen karnevalsicher, das heißt, spezielle "Schunkelverbände" sorgen für eine Eigenfrequenz der Konstruktion. Flexibilität und rasche Umbaumöglichkeit sind Garanten für die ganzjährige Auslastung des kommerziellen Bauwerks.

Die Kölnarena wartet mit anderen Qualitäten auf. Die Spannkraft des 180 Meter wölbenden Bogenträgers, die Dynamik des leicht gekippten, von schrägstehenden Betonstützen getragenen Daches von außen, die piranesischen Raumschöpfungen der Treppen im Foyerbereich und die disziplinierte, dennoch dynamisch-asymmetrisch organisierte Halle mit ihren fünf Rängen fügen sich zu einem großen Wurf, dem man auch einige kleine konstruktive oder gestalterische Ungereimtheiten nachsieht. Die Kölner jedenfalls pilgern zuhauf über den Strom, um in der Kölnarena zu staunen, zu jubeln und zu feiern.

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