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Kultur: Kölsche Cowboys

Das rheinische Galeriewochenende DC Open.

Es ist lange her, dass das Rheinland als Modell für den deutschen Kunstmarkt gelten konnte. Einflussreiche Galeristen machten die Region zu einem strategischen Zentrum des Kunstbetriebs, bevor Berlin der Region das Wasser abgrub. Nun sind Köln und Düsseldorf wieder zum Modell geworden. Nicht, weil der rheinische Handel zu alter Größe zurückgefunden hätte, sondern weil sich am vereinten Galeriewochenende DC Open wie unter dem Brennglas das Ringen um eine Neuorientierung am Kunstmarkt ablesen lässt.

Dabei brechen im fünften Jahr der DC Open trotz vieler freundlicher Worte die Gräben zwischen den beiden Städten wieder auf. Der Grund ist die völlig verschiedene Reaktion beider Standorte auf die Krise des Galeriegeschäfts. Köln kämpft trotzig um komplexe Inhalte und entdeckt seine alte Liebe zur Anarchie. Düsseldorf aber gelingt es, das Anforderungsprofil des schnelllebigen Messegeschäfts auf die heimischen Ausstellungsräume zu übertragen. Die angebotene Kunst kokettiert dort mit dem schönen Schein und belohnt auch ungeduldige Sammler. In Kontobewegungen übersetzt heißt das: Der Umsatz wird im Norden gemacht.

Inzwischen äußert man sich dort schon mitfühlend über den Kölner Kampf mit dem eigenen Anspruch und einer überalternden Klientel. In Köln kann man sich nicht um eine erstarkende lokale und jüngere Sammlerschaft scharen wie in Düsseldorf und orientiert sich über die Grenzen des Rheinlandes hinaus. Selbst Vordenker des DC-Open-Programms wie Thomas Rehbein suchen neue Kunden inzwischen in Brüssel und sogar Frankfurt. Statt in das immer globalere Messegeschäft zu investieren, setzt man auf lokale Sammlernetzwerke an neuen dynamischen Standorten. Die vitalste Szene freilich liegt nur vierzig Kilometer rheinabwärts und experimentiert sichtlich vergnügt mit Verjüngungskuren.

Die Künstler-Galeristin Daniela Steinfeld etwa hat den einstigen Projektraum Van Horn zu einer der interessantesten Galerien des Rheinlandes ausgebaut und wagt mit der Malerin Joanne Greenbaum ein Marktexperiment. Sie bietet einen qualitativ bestechenden Werkkomplex kleiner Formate bewusst zu Preisen unter dem Niveau des Marktes an. Wer will, der kann sammeln, soll das heißen. Intellektuelle Partizipation geht über Repräsentation, was sich nebenan bei Linn Lühn auch an der Malerei Christoph Schellbergs ablesen lässt, in der die Moderne zu erzählerischen Illusionsräumen verschmilzt. An die perspektivischen Brüche muss man die Augen gewöhnen wie an das Sehen in der Dunkelheit.

Es ist die Lust am Sehen, die Düsseldorf beherrscht, etwa wenn Cosar Stefan Sehlers Abstraktionen zeigt, für die der Maler hinter Glas Farbschichten aufträgt und den Betrachter so zum Voyeur des Materials werden lässt. Neben dieser Lust an der Fläche wirkt halb Köln wie Punk. Mel Chins Zeichnungen bei Rehbein wandeln die Ehrfurcht vor dem Schönen und Historischen in utopische Visionen um. Bei Marion Scharmann wird das Publikum von Taschen voller Glasscherben bedroht, mit denen Jana Müller leichter Hand die Konsumsymbole der Galeriewelt in feministisch angereicherte Traumbilder über Verletzbarkeit verwandelt. Der Gipfel der Provokation aber ist wohl Nagel Draxler gelungen, die im Parterre einer verbrecherisch hässlichen Ladenpassage die linguistischen Experimente Stephanie Taylors zeigen und mitten in Köln eine lyrische Westernstadt als Spiel mit Sprachregeln in Szene setzen und beweisen, dass Kunst in Köpfen und nicht in Geldbeuteln lebt. Die DC Open lohnen endlich wieder auch weitere Reisen. Der Kunst wegen. Aber auch, weil der Kunstmarkt neue Strategien braucht und die Schreckstarre sich am Rhein gerade zu lösen beginnt. Gerrit Gohlke

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