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Nicole Kidman als Forscherin Gertrude Bell in Werner Herzogs "Königin der Wüste".

© Prokino

"Königin der Wüste" mit Nicole Kidman: Tiere schauen dich an

Dromedare, Geier und Männer: Nicole Kidman spielt in Werner Herzogs "Königin der Wüste" die Forscherin Gertrude Bell, die ihr Elternhaus verlässt, um die arabischen Länder zu bereisen.

„Mit spektakulären Landschaftsaufnahmen, einem bildmalerischen Soundtrack und seinem ganz ureigenen Rhythmus für Drama und Gefühl erzählt Regie-Legende Werner Herzog die faszinierende Lebensgeschichte einer Frau, die als weiblicher Lawrence von Arabien Historie schrieb.“ Solchen Reklamesprüchen des Verleihs fügte die „Regie-Legende“ kongenial hinzu, dass seine Hauptdarstellerin die beste Schauspielerin der Welt sei.

Das ist freilich das Problem: Die Figuren, die Herzog auf seiner Jagd nach Superlativen sonst in seine Filme holt, sind Außenseiter, Verstoßene, Exzentriker, anarchische Einzelgänger: der Skiflieger in der „Großen Ekstase des Bildschnitzers Steiner“, die Kämpfer Aguirre und Fitzcarraldo, die Mörder in „Death Row“, der Tierfreund in Alaska, der von Grizzly-Bären gefressen wird. Dazu Werner Herzog selbst, der sich im Dschungel mit seinem „Liebsten Feind“ Klaus Kinski auseinandersetzt, einen Vulkan auf Guadeloupe besteigt oder tief in der Erde in der „Höhle der vergessenen Träume“ mit Künstlern kommuniziert, die dort Jahrtausende vor unserer Zeit schöpferisch tätig waren.

Pompöse Technik zu symphonischem Gebraus

In Herzogs erstem Film mit einer weiblichen Hauptfigur verlässt die junge Gertrude Bell ihr viktorianisches Elternhaus in England, um durch die arabischen Länder zu reisen, als Archäologin und Ethnologin, Sprachforscherin und Spionin, kurzum als Orientversteherin, die zur „Königin der Wüste“ wird. Nicole Kidman allerdings kommt nie von ihrem Star-Image los, und in ihrem Gesicht hinterlassen die Reisestrapazen unter glühender Sonne keine Spuren. Die „spektakulären Landschaftsaufnahmen“ sind angesichts digitaler Technik, Widescreen und Helikopter- Kameras längst Standard. Und der „bildmalerische Soundtrack“? Symphonisches Gebraus, unterlegt mit arabischem Singsang und Dromedar-Gegrunze.

Findet man sich damit ab, einen Film von Werner Herzog, aber keinen Werner-Herzog-Film zu sehen, lässt sich mancher kuriose Moment genießen. Da ist etwa die Konferenz westlicher Staatsmänner unter dem Vorsitz Churchills, die den Nahen Osten nach eigenem Bilde umformen wollen. Tiere allerdings nehmen dem Getriebe vieles von seiner Bedeutung, etwa wenn ein Geier den ersten Kuss des Liebespaares luststeigernd verzögert oder wenn Dromedare Gertrude in der Badewanne mitten in der Wüste beäugen. Und Robert Pattinson als T. E. Lawrence mit dem pompösesten Kopfschmuck Arabiens geht glatt als parodistische Figur auf David Leans Heldenepos durch.

Man will sie in den Harem stecken

Im „ureigenen Rhythmus für Drama und Gefühl“ bleibt es zwischen Abenteuer- und Liebesfilm beim öden Unentschieden. Das Abenteuer: Man zieht von den Beduinen zu den Drusen, vom Scheich zum Emir, und stets wird die nächste Station als extrem gefährlich angekündigt. Unterwegs wird der Expeditionstrupp von einer Reiterschar umzingelt, die zwar wild um sich schießt, aber eher wie eine Touristenbespaßungstruppe wirkt. Nach Todesdrohungen gegen die Eindringlinge stapft Gertrude Bell ins Zelt des Clanchefs, wo man alsbald gemeinsam persische Lyrik, Vergil sowie Rimbaud zitiert. Nur einmal wird’s kritisch: Man will sie in einen Harem stecken, doch der Häuptling erweist sich als unbedarftes Jüngelchen. Also klärt Gertrude die Lage mit einem Donnerwort: „Kein Mann berührt eine verheiratete Frau. Das hat der Prophet gelehrt.“

Die Männer in ihrem Leben sterben beide

Die Liebesepisoden enden weniger glücklich. Beide Männer in Gertruds Leben versterben – doch jeweils mit bewegendem Finale in Wort und Bild. Der erste schreibt im Abschiedsbrief: „Liebe kennt kein Gesetz“, und ihr Blick aus dem Fenster gleitet über zwei Schwäne auf einem Teich und ein bambiartiges Rehlein auf der Wiese. Schöner kann Bio-Kitsch nicht sein. Der andere Mann stürzt sich aus unglücklicher Ehe in den soldatischen Heldentod. Sein Vermächtnis: „Die Liebe ist ein Tyrann, der keinen verschont.“ Gertrude Bell erhält die Nachricht auf einem Empfang und lässt vor Schreck den Champagnerkelch fallen. Glück und Glas, wie schlimm bricht das.

In zwölf Berliner Kinos

Helmut Merker

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