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Kultur: Körperschrift

Eröffnung der Berliner Festwochen mit der Batsheva Dance Company

„Language is a virus“, sang schon Laurie Anderson. Ohad Naharin, Choreograf der Batsheva Dance Company, zeigt Tänzerkörper, die von einem Sprach-Virus befallen sind. Mit seiner Produktion „Naharin’s Virus“wurden die diesjährigen Berliner Festwochen eröffnet. Das Batsheva-Gastspiel im Festspielhaus bildete zugleich den Abschluss eines glanzlosen „Tanz im August". Von einem „Scharnier“ zwischen den beiden Highlights im Berliner Kulturkalender hatte Nele Hertling gesprochen, die kooperierenden Häuser wie Haus der Berliner Festspiele, Hebbel-Theater und Schaubühne präsentieren sich als Achse. Übergangslos kann man jetzt also von einem Festival ins nächste gleiten, doch die Frage, welches Haus welche Künstler zeigen soll, ist damit nicht vom Tisch.

Ein schwarze Wand im Hintergrund der Bühne, eine Tafel. Eine Tänzerin zieht einen Kreidestrich, schreibt einzelne Buchstaben nieder, während der Körper immer wieder ausweicht, ausbricht. Körper und Schrift - ein komplizierter Übersetzungsprozess. Fieberhaft bekritzeln die Tänzer später diese Wand, mit scheinbar belanglosen Mitteilungen wie bei einer Klassenfahrt, Einschreibung des Ichs, und dann steht da plötzlich in Großbuchstaben: PLASTELINA. Ein politisches Manifest will das Stück nicht sein, aber schmuggelt man so ein Kassiber?

Ein Mann in Anzug-Attrappe spricht ausdruckslos die ersten Sätze aus Peter Handkes „Publikumsbeschimpfung". In dem Sprechstück von 1966 wird der Zuschauer direkt anredet: Handke packt ihn bei den Erwartungen, redet ihm allen Kunst-Anspruch aus, stößt ihn auf sich selbst zurück. Mag sein, dass Naharin mit diesem Text einen leeren Raum schaffen wollte. Alle Verweise auf eine – mörderische – Realität will Naharin getilgt wissen. Und doch liest man das als Stimmungbild aus einem Land, wo alle Hoffnungen auf ein friedliches Zusammenleben weggebombt wurden. Misstrauische Annäherungen, dann ein neugieriges Umkreisen. Einer nach dem anderen betreten die Tänzer die Bühne, stellen sich an der Rampe auf mit dieser bekannten „Ihr könnt uns mal"-Attitüde. Schwarz bestrumpfte Beine ragen aus hautfarbenen Vermummungs-Trikots – das wirkt wie eine Durchstreichung alles Körperlichen.

Als lauter Arabo-Pop mit wunderbar geschwungenen Melodielinien erklingt, geht ein Ruck durch die Körper. Die Musik stammt von dem Palästinenser Habib Alla Jamal, eine Zusammenarbeit, die bis zuletzt gefährdet war. Die Klänge verführen zum Tanz, doch alle Bewegungsimpulse bleiben im Körper verschlossen, nur ein kurzer, heftiger Ausbruch ist erlaubt. Naharin erzählt von Lähmung und von einer Ausdruckswut, die auf keine vorgefundenen Formen mehr zurückgreifen kann.

Der Boden bebt noch, konstatierte Jutta Limbach, Präsidentin des Goethe-Instituts. Die Jugend dieser Welt schaut auf diese Stadt, so der Tenor ihrer etwas gönnerhaften Eröffnungsrede. Als special guest war „DJ Adrienne“ angekündigt. Von Ex-Kultursenatorin Adrienne Goehler erhoffte man sich ein „Get the party started". Die zog es aber vor, erstmal Interviews zu geben. Also wartete alles auf Constanza Macras und Mitternachts-Erotik-Show in der Kantine. Macras klärt uns auf über die sexuelle Gier der Frauen. Schiebt sich entschlossen das Magnum-Eis ganz in den Mund. Zerquetscht rohe Eier auf ihrem Leib, bestreut sich mit Paniermehl. Ein Performance mit Nährwert („Naharin’s Virus“ noch einmal heute, 20 Uhr im Festspiel-Haus). Sandra Luzina

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