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Kollek-Film "Restless": Der verlorene Vater

Amos Kolleks New-York-Elegie „Restless“ zeigt Melancholie und eine fette Portion Selbstmitleid.

Ein Mittfünfziger. Klamotten hart an der Grenze zum Clochard. Wohnung: New Yorker Kellerloch drei Blocks von Chinatown entfernt. Arbeit: Fliegender Händler in Billigschmuck, manchmal ist zwecks Umsatzaufbesserung eine Bauchtänzerin dabei. Schlaf: wenig. Alkohol: viel. Letzterer bevorzugt bei „Shimon’s“, der schönsten überseeischen Wackelzinne der Festung Israel. Frauen? Ach ja, Frauen: eher jung, eher häufig als gelegentlich, eher grob im Auftritt, also passend. Sonstige Kennzeichen: Suppe kochen, gute Suppe, altes marokkanisches Rezept.

Das ist Moshe Amar (Moshe Igvy), heruntergekommener Moses im gelobten Land der „unbegrenzten Möglichkeiten“ – was Moshe immer wieder sagt und ganz bestimmt auch sehr ironisch meint. Den Kontrast zwischen Ideologie und Alltagsidiotie, hallo, finde bitte jeder selber heraus. Zum Beispiel das Publikum im „Shimon’s“, das den oft eher lallend improvisierten Open-Mike-Auftritten des Freizeitpoeten Moshe erstaunlich willig folgt. Darunter, eines späten Abends, Moshes Sohn Tzach. Der ist 21, vom Vater schon vor der Geburt im Stich gelassen und soeben, halbwegs ehrenhaft, aus der israelischen Armee entlassen. Und der findet nun einen wie Moshe.

Es ist das New York der lost souls, das den in Israel aufgewachsenen und früh nach New York gewechselten Regisseur Amos Kollek vor zehn Jahren, da war er schon 50, mit einem Schlag bekannt gemacht hat. Es ist das New York von „Sue“ und „Fiona“, das New York der Kollek- Muse Anna Thomson, die die weibliche Welt- und Suffverlorenheit unsterblich gemacht hat in seinen Filmen. „Restless“ nun muss ohne ihr irrwitzig schönes Licht auskommen: matt in den Nachthöhlen, sonnelos düster tags.

Hier tummeln sich die Männerseelen der Diaspora, gemischt aus Misanthropie, Misogynie und Melancholie, und beim MöchtegernBukowski Moshe kommt noch eine fette Portion Selbstmitleid hinzu. Der ist zwar einst vor dem militärischen Kraftgeprotze Israels desertiert, aber eben auch vor der Geschwängerten und seinem zukünftigen Sohn – und nun, die Frau ist nach zwei Dekaden offenbar am Gram gestorben, holt die Vergangenheit ihn ein. Nervenzerrend langsam entwickelt sich diese Geschichte von lähmender Vorhersehbarkeit, die Kollek hier erzählt – schwer auszuhalten nicht wegen ihres innewohnenden und durchaus erzählenswerten Schmerzes, sondern wegen dessen geradezu zelebrierter Demonstration.

Moshe vögelt eine junge Schwarze und braucht Flüche gegen Moslems, um seinen Schwanz in Stimmung zu halten. Moshe leistet, sexuell drastische Gedichte deklamierend, Sterbehilfe bei einer dreifachen Witwe. Moshe steigt der Barfrau Yolanda (Karen Young) morgens um fünf hinterher und macht ihr einen Heiratsantrag. Das alles ist erst noch witzig gemeint, dann bloß pathetisch, damit diese Frau oder jene oder eine dritte bei Bedarf flink vom Sexobjekt in die Rolle der Trösterin wechseln kann. So macht dieser Film irgendwann auch den bekennendsten Macho müde.

War das sein Ziel? Nennen wir „Restless“, in dem Moshe immer wieder seine poems of a restless man vorträgt, Amos Kolleks persönlichsten Film: Sein New York ist hier nicht mehr die große Hure Babylon und Symbol für die Verlorenheit vor allem der Frauen, sondern das trübe Exil eines Juden und verlorenen Vaters, der sich selbst aus der Heimat Israel vertrieben hat und nun nicht mehr zurückkehren kann – es sei denn, ihm läuft ein Sohn über den Weg, der auf der Seelenheimreise begleitet. Kollek meditiert hier indirekt über seinen eigenen Entschluss, mit Frau und Töchtern nach Israel zurückzukehren, er umschleicht und dekonstruiert ihn und rekonstruiert ihn gleich wieder. „Restless“ aber findet nur verbrauchte Sätze, verbrauchte Metaphern und vor allem verbrauchte Bilder für diesen Überbau, der einem großen Film den Rahmen hätte geben können.

Freitag 12 Uhr und 23.30 Uhr (Urania), 20 Uhr (International)

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