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Kolumne Literaturbetrieb: Profil ist alles

Schlank macht stark: Der Berlin Verlag soll umgebaut werden. Unser Autor über die lange Geschichte des Niederganges und die Chance der Profilschärfung.

Als die neue Piper-Verlegerin Felicitas von Lovenberg Ende April ihren ersten öffentlichen Auftritt hatte, bei einer Münchner Verlegerrunde in der bayrischen Landesvertretung in Berlin, wurde sie natürlich auch nach der Zukunft ihres Verlages gefragt und wie sie diese zu gestalten denke. Sie sprach daraufhin von der „großen Geschichte“ von Piper, der „rasanten“ Titelmischung, und dass der Verlag „Vertreter des Publikums“ bleiben wolle. Wovon sie nicht sprach, naturgemäß, muss man sagen, was aber ein paar Tage später nach von Lovenbergs Auftritt bekannt wurde: dass der seit 2012 zu Piper gehörende, in Berlin ansässige Berlin Verlag einmal mehr umgebaut und vor allem abgerüstet wird.

Herstellung, Vertrieb und Marketing des Berlin Verlags sollen von Piper in München übernommen werden und in Berlin nur noch ein personell verkleinertes Lektorat und eine Pressestelle dem Verlagsleiter Georg M. Oswald zur Verfügung stehen. Zudem wird das Berlin-Verlag-Label Bloomsbury eingestellt und die Taschenbuchsparte von Piper übernommen. Oswald und sein Team dürfen sich in Zukunft ausschließlich auf ein – gleichfalls reduziertes – Hardcover-Programm konzentrieren. Diesen Rückbau hat von Lovenberg gegenüber dem Branchenmagazin „Buchmarkt“ „als unumgänglichen Schritt“ bezeichnet – aber auch schon im Stil einer nüchtern-erfahrenen Verlagsmanagerin nach vorn verkauft: „Das Profil der beiden Hardcover-Programme Belletristik und Sachbuch wird aus dieser Maßnahme gestärkt hervorgehen.“

Schlank macht stark. Klein ist das neue Besser und Größer. Schön wäre es ja. Doch hat man den Eindruck, dass dies nur ein weiteres, womöglich das vorletzte Kapitel in der Geschichte des anscheinend unaufhaltsamen Niedergangs des 1994 von Arnulf Conradi, Elisabeth Ruge und Veit Heinichen in Prenzlauer Berg so vielversprechend gegründeten Berlin Verlags ist. Turbulent ging es schon zu, als der Verlag 1998 von Random House übernommen wurde, Arnulf Conradi ihn aber ein paar Jahre später wieder zurückkaufte, um kurz darauf beim britischen, mit den Harry-Potter-Büchern reich gewordenen Bloomsbury Verlag unterzuschlüpfen. So angesehen der Verlag war, mit Autoren wie Nadine Gordimer, Richard Ford, Ingo Schulze, Péter Esterházy, Péter Nádas oder Jonathan Littell, so schwierig war es immer, auch ökonomisch zu reüssieren.

Von den Autoren, die einst den Ruf begründeten, sind kaum noch welche an Bord

Als man bei Bloomsbury 2011 verkündete, die eigenen Verlage weltweit zentral auszurichten, war klar, dass der Berlin Verlag unter diesem Dach nicht mehr lange verbleiben konnte. Elisabeth Ruge, die den Verlag seit 2005 geleitet hatte, verließ das Haus aus eigenem Antrieb, ihr folgte die bisherige Lektorin Birgit Schmitz als Leiterin nach, und 2012 verkaufte Bloomsbury den Berlin Verlag schließlich an den schwedischen Bonnier-Konzern, zu dem auch Piper gehört.

Und wieder kam es zu einem Wechsel an der Spitze. Auf Schmitz folgte der Schriftsteller Georg M. Oswald, und von den Autoren und Autorinnen, die einst den Ruf des Verlags begründet haben, sind kaum noch welche an Bord. Immerhin konnte William Boyd gehalten werden. Dessen jüngster Roman „Die Fotografin“ ist ein Bestseller. Ende des Jahres soll es noch nachgelassene Erzählungen des großen, im Sommer verstorbenen US-Schriftstellers James Salter geben. Doch in der deutschsprachigen Literatur gehört der Berlin Verlag – wie auch Piper – nicht zu den ersten Adressen. Gegen Suhrkamp und insbesondere S. Fischer hat der Verlag es traditionell schwer. Dass ein Uli Hannemann oder die eine oder andere Krimiautorin den Sommer vor den für das Frühjahr 2017 geplanten Änderungen noch zu einem außergewöhnlich guten und heißen machen werden, darf bezweifelt werden.

Also heißt es: Profilschärfung. Doch welcher Verlag, der was auf sich hält, hat das nicht auf der Agenda? Manchmal braucht es glückliche Hände – oder ein Buch, das aus dem Nichts (wie Bov Bjerg mit „Auerhaus“, bei Aufbau) oder wegen eines wichtigen Preises (Frank Witzels „Die Erfindung der RAF durch einen manisch-depressiven Teenager im Sommer 1969“, bei Matthes & Seitz) zu einem rettenden Bestseller wird.

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