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Little Italy, eines der New Yorker Viertel für das die Stadtplanerin und Journalistin Jane Jacobs sich einsetzte. „Citizen Jane“ ist eine neue Doku über ihr Leben.

© dpa / picture-alliance

Kolumne Trump und ich (10): Wer hat Angst vor Citizen Jane?

Seit der Amtseinführung Donald Trumps berichtet unsere Autorin aus New York von ihrem Alltag mit dem neuen Präsidenten. Diesmal über den politischen Film „Citizen Jane“.

Zurzeit läuft der Film „Citizen Jane: Battle for the City“ in den New Yorker Kinos. Bestimmt hatte Regisseur Matt Tyrnauer ihn schon abgedreht, bevor Trump Präsident wurde. Jetzt übersteigt der Ticketverkauf aber gerade wegen Trump Tyrnauers kühnste Erwartungen. Eine Doku mit talking heads über eine tote Stadtplanerin taugt sonst eher nicht zum Publikumshit à la „Titanic“.

„Citizen Jane“ erinnert an die Schriften und die Arbeit von Jane Jacobs, Stadtplanerin und Journalistin von den 40er bis zu den 70er Jahren, einer Zeit, als Frauen kaum solche Jobs bekamen. Damals wurden gerade die Städte „modernisiert“, das heißt: Ganze Altstadtviertel wurden von Bulldozern plattgemacht und durch Highways und endlose Blockbebauung ersetzt. Man könnte es stalinistischen Wohnungsbau nennen, aber die Amerikaner sind ja Antikommunisten. Also: billige Gebäude, Hochhäuser, kleine Fenster, hässliche Fassaden, null Straßenleben.

Die Männer an der Spitze der städtischen Bürokratie hatten vergessen, auf die Straße runterzugehen und zu gucken, wie die Leute leben, wie eine Straße mit Geschäften, Kirchen, Kneipen, spielenden Kindern und tratschenden Eltern für eine gute Nachbarschaft sorgt, mit blühendem Geschäftsleben noch inmitten der Armut. Sie hatten auch nicht realisiert, dass solche Netzwerke den Leuten helfen können, der Armut zu entkommen. Sie sahen nur, wie am besten viel schnelles Geld für die Bonzen in der Bauwirtschaft abfällt – und für die geschmierten Politiker.

Wieder Fleißpunkte gesammelt

Jane Jacobs ging zu Fuß durch New York und begriff, was eine Stadt braucht. In ihrem Buch „Tod und Leben großer amerikanischer Städte“ schrieb sie gegen den Abriss-Zar Robert Moses an, sie konnte auch dessen Plan verhindern, halb Soho und Little Italy zu planieren, um dort Highways durchzuziehen. Auch den Washington Square Park hat sie gerettet, wo sie lebte – und ich heute.

Nicht nur ihre Schriften hatten Erfolg. Sie regte auch Bürgerinitiativen an, animierte kinderwagenschiebende Mütter, Einwanderer in Little Italy und schachspielende Cafébesucher zu Protestkundgebungen auf der Straße oder im Rathaus. Es waren die Vorläufer des heutigen politischen Aktivismus – und das Kino war rappelvoll. Nicht weil die Leute nicht wüssten, wie man protestiert, Demos von rechts oder links gibt es derzeit ja überall in den Städten. Letzte Woche demonstrierten die Pro-Wissenschaftliche-Forschung-Aktivisten (pro? Gibt’s da auch Anti-Leute?) gegen Trumps Kürzungen der Regierungsstipendien für Forschungsprojekte. Aber es ist ein Segen, eine unerschrockene Frau wie Jane Jacobs zu sehen, die sich vom großen Geld und den Mächtigen nicht einschüchtern lässt.

Fazit: Wieder Fleißpunkte für den Besuch eines politischen Films gesammelt. Vor mir saß der Schauspieler Mandy Patinkin, den Europäer vor allem als Saul in „Homeland“ kennen – der war mal mein Jugendschwarm. Ein gelungener Abend.

Marcia Pally lehrt Multilingual Multicultural Studies an der New York University. Übersetzung: Christiane Peitz

Marcia Pally

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