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Im ganzen Land protestieren in diesen Tagen Menschen gegen Trump. Hier in New York, bei einer Veranstaltung des Regisseurs Michael Moore.

© dpa / picture alliance

Kolumne Trump und Ich (2): Da hilft nur noch Beten

Amerika unter Donald Trump? In loser Folge berichtet unsere New Yorker Autorin aus dem Alltag mit dem Neuling. Diesmal über die anhaltenden Proteste gegen Trump, auch in religiösen Gemeinden.

Die Amerikaner leiden derzeit unter dem Wichtigkeits-Syndrom. Jeder denkt, er oder sie müsse etwas wegen Trump machen. Ihn unterstützen, anklagen, vor ihm warnen, als sei jede einzelne Meinung unverzichtbar. Man könnte denken, wir leben in einer Demokratie.

Es ist nicht zu fassen. Seit die Wahl vorbei ist, engagieren sich die Leute. Als es darauf ankam, haben sich nur 55 Prozent der Wahlberechtigten dafür interessiert. Und jetzt ist jeder ein Aktivist.

Es fing an mit den Dauerprotesten, die den Verkehr vor meiner Haustür in Manhattan zur zähen Angelegenheit machten. Die Sicherheitsvorkehrungen rund um Trumps Privatwohnung verwandeln den Zugang zu St. Patrick’s Cathedral, St. Thomas Episcopal und der Zentralen Synagoge in eine Art religionsübergreifenden Verkehrs-Blitzkrieg. Und all die plötzlich so politisch Gewordenen planen größere Proteste für den Samstag, den Tag nach Trumps Vereidigung. Die Frauen organisieren eine separate Demo, „damit er weiß, wir haben ihn im Visier“, so eine Organisatorin. Sie hält es wohl für eine Drohung. Trump könnte die Idee, dass Frauen ein Auge auf ihn werfen, auch anders verstehen. Vielleicht twittert er ja: „Auch ich schau dir in die Augen, Kleines“.

Ein Gebet für Trumps Amerika

Die Sache lief so richtig aus dem Ruder, als meine jüdische Gemeinde – mit normalerweise über den Dingen stehenden Intellektuellen – beschloss, dass wir am Tag der Vereidigung ein besonderes „Gebet für unser Land“ brauchen.

Tun wir das?

Wir haben ein reguläres „Gebet für unser Land“, das auf die Zeit der Ghettos und Pogrome zurückgeht. Es klingt ungefähr so wie Tevje in „Anatevka“: „Möge der Herr den Zar segnen ... und ihn uns vom Leib halten“. Dann hoffen wir auf Weisheit für die Regierung und Frieden auf Erden. Lauter Banalitäten, die einen eher schläfrig machen als inbrünstig.

Noch nie hatten wir ein Spezialgebet für einen neuen Präsidenten. Weder für „W“, noch für Obama, der ein „Möge der Herr ihn segnen ... und ihm die Republikaner vom Leib halten“ gut hätte gebrauchen können. Egal, es wurden Ideen für ein spezielles Trump-Gebet gesammelt. Es sollte überparteilich, geistvoll und positiv sein und niemanden verletzen. Vielleicht wollen die Leute ja zwei Nickerchen machen.

Frommes Nachdenken über Trump

Es kam noch schlimmer. Meine Gemeinde beschloss, an diesem Samstag früher zu beten als sonst, sodass man an den Anti-Trump-Manifestationen teilnehmen kann. Extra früh aufstehen für Trump? Die meisten Sabbat-Gottesdienste beginnen um 9 Uhr, während meine Minjan mit den über allem stehenden Intellektuellen um 10 Uhr startet und die meisten ohnehin erst gegen 11 eintrudeln. Ich erwähne das, damit man eine Vorstellung davon bekommt, welches Opfer ein Acht-Uhr-30-Beginn bedeutet.

Anschließend sollen wir zu einer anderen Synagoge laufen, um mit anderen Gläubigen eine weitere Stunde frommen Nachdenkens über Trump zu verbringen. Die Evangelikalen in der Gemeinde eines Freundes von mir machen das auch. Schließlich werden wir alle – Juden, Evangelikale, Moslems, Katholiken – nach Midtown marschieren, wo wir auf die zentrale Demo stoßen. Möge der Herr sie segnen ... und mir all die Spezialgebete vom Leib halten.

Marcia Pally lehrt Multicultural Studies an der New York University. Bisher erschienen: „Wie man Trump bei Tisch vermeidet“ – Übersetzung: Christiane Peitz

Marcia Pally

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