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Kommentar: Öko, Irrsinn, Hoffnung

Gerrit Bartels über den Trend zur Farbe Grün.

A ls letzte Woche die Schnellrestaurant-Kette McDonalds verkündete, das Logo seiner deutschen Filialen in Zukunft mit grüner Farbe statt wie seit Urzeiten mit roter zu unterlegen, bewegte das die Gemüter von Fleischessern und Feuilletonisten. Die einen haben nun Sorge, dass McDonalds immer vegetarischer werden könnte (was nicht der Fall ist), die anderen sinnieren darüber, dass es McDonalds nicht nur um einen neuen Markenauftritt geht, sondern dass auf diesem Weg auch ein Bekenntnis zur Umwelt abgeben werden soll.

Das sei dem Hamburger-Brater zugestanden, so wohlfeil symbolisch dieser Farbenwechsel sein mag, zumal McDonalds sich damit nicht in schlechtester Gesellschaft befindet: Auch die Buchbranche hat die beruhigende, sanfte, signalhafte Wirkung der Farbe Grün entdeckt, haufenweise Bücher sind zuletzt in mildgrüne oder knallgrüne Umschläge gewickelt worden. Wiewohl sich hier bei vielen Titeln noch weniger als bei McDonalds die Botschaft der Farbe mit dem Inhalt der Produkte kurzschließen lässt.

Richtig deckungsgleich war vor Jahresfrist noch Peter Unfried mit seinem Buch „Öko“ über die neue Sexyness und Coolness eines grünen Umweltbewusstseins. Auch in der Edition Suhrkamp haben die grünen Bände ihre Folgerichtigkeit, wechseln sich doch hier in schöner Regelmäßigkeit die Farben des Regenbogens auf den Buchcovern der Edition ab.

Aber wie verhält es sich mit Wladimir Kaminers Buch „Meine neuen russischen Nachbarn“? Oder mit Katharina Münks Roman „Die Insassen“, einem Schnelldreher „voller Wortwitz, Fantasie und Irr-Sinn“ (Verlagswerbung)? Oder mit Frank Schirrmachers Buch „Payback“, das die kognitive Krise unserer Gesellschaft zu analysieren versucht und von den Gefährdungen und Veränderungen unseres Denkens im digitalen Zeitalter berichtet? Grün ist in diesem Buch wirklich gar nichts, höchstens die Hoffnung, dass wir eines Tages die Kontrolle über unser Denken zurückgewinnen, wie Schirrmacher im Untertitel verspricht.

Bei all diesen Titeln spielt natürlich die Hoffnung mit, dass sie in der Flut der Bücher, die die Verlage Halbjahr für Halbjahr veröffentlichen, auch entdeckt werden: Nichts leuchtet schöner als das helle Grün von Schirrmachers Buch oder das fett dunkle Grün von Münks Schmöker.

Dass die Gesellschaft, in die sich diese Autoren mit ihren grünen Büchern begeben, nicht immer die feinste ist, steht wieder auf einem anderen Blatt: 1975 veröffentlichte Libyens Staatschef und selbst ernannter Revolutionsführer Muammar al Gaddafi sein „Grünes Buch“, in bewusster Anspielung auf die Mao-Bibel, das sogenannte und gewissermaßen immergrüne Rote Buch. Darin versuchte er sich in einer „Dritten Universaltheorie“ als Alternative zu Kommunismus und Kapitalismus. Ein viel gelesenes oder gar viel zitiertes Standardwerk ist Gaddafis „Grünes Buch“ nicht geworden, erst recht kein Bestseller, außer vielleicht in Libyen. Das wiederum sollte all den Verlagsmenschen zu denken geben, die glauben, ein grüner Umschlag sei schon die halbe Miete: Inhalt kommt vor Farbe. Auch die Kraft des armen Grüns ist nicht unerschöpflich.

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