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Kommentar: Spielzeug Europa

Sandra Luzina wundert sich über die Berliner Festspiele

Von Sandra Luzina

Technowummern, stroboskopische Lichtblitze, Ballerinen in neonfarbenen Trikots, die im Dreieck springen – schon nach 50 Minuten war der Spuk wieder vorbei. Man hatte soeben der Uraufführung von „Egopoint“ von Nadja Saidakova beigewohnt, einer Koproduktion des Staatsballetts Berlin und der „Spielzeit Europa“. Techno, Ballett und Berliner Festspiele – die Kombination ist schräg. Dieser sehr kurze Abend wirkte aber so, als wolle man die Love-Parade für Baden-Baden und die Generation Silver Sex wiederbeleben. Warum ausgerechnet Saidakova, Erste Solistin des Staatsballetts, beauftragt wurde, für die „Spielzeit Europa“ ihre erste abendfüllende Choreografie zu kreieren, kann keiner nachvollziehen. Ihr choreografisches Potential ist bescheiden, im Rahmen des Festivalprogramms wird die Debütantin nun dennoch in eine Reihe mit großen Namen wie Sasha Waltz, Michael Clark und Pina Bausch gerückt. Man tut ihr damit keinen Gefallen.

Dabei will das bis Ende Dezember währende Festival eigentlich die Stars der europäischen Theater- und Tanzszene nach Berlin holen. Von den Festspielen war man es bislang gewohnt, dass sie für die Highlights der Saison sorgten. Sie präsentierten das, was gut und teuer war, was andere Berliner Veranstalter nicht finanzieren konnten. In diesem Jahr kann man sich zum Beispiel auf das Tanztheater Wuppertal freuen, das mit dem Brecht/WeillAbend „Die sieben Todsünden“ in die Schaperstraße kommt. Der Klassiker der im Juni verstorbenen Pina Bausch ist gewiss ein Höhepunkt der Reihe. Warum man aber von der quicklebendigen Sasha Waltz keine Novität zeigt, sondern die fünf Jahre alte Schubert-Choreografie „Impromptus“ und dazu noch die aufwändige Produktion „Jagden und Formen“, eine Zusammenarbeit mit dem Ensemble Modern, leuchtet nicht ein.

Anfang Oktober, zum Auftakt der „Spielzeit Europa“, ließ man die Puppen tanzen. Das Straßentheater-Spektakel „Die Riesen kommen“ – ein Geschenk des Bundes an die Stadt zum Jubiläum des Mauerfalls – verschlang enorm viel Geld. Vielleicht blieb ja kaum noch was übrig: Das Programm jedenfalls , das mit dem Rest des Budgets auf die Beine gestellt wurde, ist bislang enttäuschend bis desaströs. Vor allem die Berliner Koproduktionen wirken wie Verlegenheitslösungen. Das Festival läuft Gefahr, sich in die Bedeutungslosigkeit zu pirouettieren. Spielzeugland Europa.

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