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Kultur: Komposition eines Kraftfelds

Nicola Kuhn freut sich schon auf die Documenta

Das ist wie Labsal für die Seele in einer schlimmen Zeit, in der Mammon, Event und Nihilismus regieren. Während sich andernorts die Kunst nur über Rekordpreise und das größtmögliche Spektakel definiert, setzt die Documenta 12 stattdessen auf die Bildung als Gegengift. Damit die Entdeckung dieser leisen Therapieform nicht im allgemeinen Getöse untergeht, muss allerdings erst einmal die Pauke geschlagen werden, und das geht mit einer Pressekonferenz – Trommelwirbel! – in der Hauptstadt, dazu noch in der Neuen Nationalgalerie – Tusch! – perfekt.

Weit über 150 Journalisten waren gestern gekommen, um den Worten des künstlerischen Leiters Roger M. Buergel zu lauschen, was er mit dem weltweit bedeutendsten Ereignis zeitgenössischer Kunst im kommenden Jahr bezweckt. Der gab zunächst den Feingeist, indem er es mit dem Philosophen Friedrich Schleiermacher und den frühromantischen Traditionen hielt: Ästhetische Erziehung, das ist die Herausbildung der Eigentümlichkeiten eines Menschen. Doch statt zu schwärmen, sprach er dann von der Arbeit des Publikums an sich selbst. Das kann in Kassel heiter werden: Wer in den hessischen Auen bislang Kunst und Kurzweil zusammendachte, ist seit gestern eines Besseren belehrt. Der Besucher begibt sich auf der Documenta in ein „Kraftfeld“, erlebt einen „Aktivierungsmoment“, in dem er dann sein konkretes Schicksal als Teil eines globalen Geschehens erfährt, in das er trotzdem selbst eingreifen kann.

Alles zu kompliziert, zu abstrakt? Damit haben die Documenta-Macher schon gerechnet. Carmen Mörsch, die das Projekt Vermittlung auf der Documenta 12 wissenschaftlich begleitet, weiß bereits um die „erwartungsformatierten Schwierigkeiten“ bei Besuchern. Die hat offensichtlich auch die Korrespondentin einer Schweizer Nachrichtenagentur, die, statt nach Bildung zu fragen, nur die Namen Schweizer Künstler auf der Documenta wissen will. Buergel antwortet mit einem milden Lächeln: „Wir haben eine Verpflichtung, den Kompositionsprozess der Documenta zu schützen.“ So viel wird allerdings verraten: In dem 50-köpfigen Team für Führungen gibt es auch eine Schweizerin.

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