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Kultur: Konfuzius im Kino

Ein

von Jan SchulzOjala

Eine Pressekonferenz? Zum Start eher ein Hauch von Parteitag: Das Berlinale-Jingle ertönt, eine Saaltür ins Freie öffnet sich, und nach Sekunden erwartungsvollen Schweigens schreiten die Festivalmacher im Gänsemarsch dem Podium entgegen, mit – immerhin – dem Gastgeber als Letztem. Ein Entree mit Effet: Applaus, nicht gerade pressekonferenztypisch, brandet auf unter den versammelten Journalisten.

Eine Pressekonferenz? Nicht wirklich. Das meiste ist schon gesagt und veröffentlicht über die Berlinale, die am 9. Februar beginnt. Gucken wir also auf die Sitzordnung: acht orangefarbene Drehsessel, in der Mitte ein grauer für den Moderator. Berlinale-Chef Dieter Kosslick sitzt zu seiner Rechten, hinter ihm die Verantwortlichen für Talent Campus, Perspektive Deutsches Kino und Kinderfilmfest – alles Reihen, die Kosslick, mittlerweile im fünften Jahr seiner Regentschaft, eingerichtet oder neu besetzt hat. Ihm gegenüber die Säulen-Heiligen der klassischen Reihen Filmmarkt, Panorama, Forum und Retrospektive. Spricht das so geteilte Ensemble für Fraktionsbildungen, gar Führungs-Flügelkämpfe?

Noch einmal: Die Berlinale-Pressekonferenz ist kein Parteitag, sondern eine Talkshow. Oder will, als Runde von So-locker-wie-möglich-Sitzern, zumindest diesmal eine sein. Heimspiel also für Charmeur und Causeur Kosslick. Und, Hand aufs Herz, versammeln wir uns auch diesmal nicht wieder vor allem wegen seiner Pointenschätzchen? Kostprobe: „Laut Konfuzius gibt es nur drei wichtige Dinge im Leben: Sex und Essen“. Kunstpause. „Und Kino.“

Sechs Minuten Redezeit hat jeder. Aber wo wir doch hier ausdrücklich weder beim Politzirkus noch beim TV-Duell sind, redet bald jeder, wie er will. Also: Retrospektiven-Chef Hans-Helmut Prinzler fast schneidend kurz. Kinderfilmfest-Mann Thomas Hailer zum Ausgleich geradezu episch. Und Kosslick sowieso. Mal als bald erwärmter Dampf-, mal auch unvermutet als Kampfplauderer. Die 450 Häftlinge von Guantánamo, denen Michael Winterbottom in seinem Wettbewerbsfilm ein Denkmal setzt, die wolle er am liebsten „auf dem roten Teppich sehen“. Also doch: ein Parteitag?

Nein und nochmals nein. Nur ein Ritual. Dieser Berlinale-Termin ist der Jetzt-geht’s-wirklich-los-Wachmacher für alle, die immer noch nicht wissen, was im Februar abgeht im Kino in Berlin. Und die alljährliche Journalisten-Zappelwartestunde, bevor am Ausgang das druckfrische Berlinale-Programm auf dem Gabentisch liegt. Und die Gelegenheit, Dieter Kosslick, wir sind schließlich auf einer Pressekonferenz, nach seinem „größten Erfolg“ zu fragen. „Dass wir alle uns teilweise mögen“, sagt der Chef und blickt keck in Runde. Teilweise, immerhin. Applaus, Applaus!

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