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Konrad Klapheck-Retrospektive in Düsseldorf: Macht, Maschinen, Monster

Der Düsseldorfer Kunstpalast zeigt die Malerei von Konrad Klapheck in einer Retrospektive.

Da ist es wieder, das klaustrophobische Grün. Davor ein Freischwinger, auf dem ein eisblaues Telefon den nächsten Anruf erwartet. Von dem Apparat gehen gleich zwei blassgelbe Spiralkabel aus, die sich ineinander verschlängeln. Zwar heißt Konrad Klaphecks Gemälde aus dem Jahr 1969 „Verliebtheit“, doch das stumpfe Grün des Hintergrunds scheint deren Ende bereits in sich zu tragen. Oder das alarmierende Cadmiumgelb, das die Besucher der Düsseldorfer Konrad-Klapheck-Retrospektive auf gut sieben Metern Breite am Eingang empfängt: „Im Zeitalter der Gewalt II“ nennt sich das Porträt eines gigantischen Schaufelradbaggers der Marke Atlas. Das Ungetüm entlädt das ausgehobene Erdreich in einen perforierten rostroten Metallbehälter, der mit einem Bohrer ausgerüstet ist. Ob kriegerische Invasionen oder die Ernteschlachten in der frühen Sowjetunion: Alle möglichen Gewalterfahrungen des 20. Jahrhunderts finden in dieser Albtraum-Apparatur ihren paradigmatischen Widerhall.

18 Tonnen Nutzlast bietet das reale Vorbild auf, der Schaufellader „Typ Michigan“. In einer Vitrine liegt der vergilbte Zeitungsartikel, der den heute 78-jährigen Maler und Zeichner Konrad Klapheck zu diesem, einem seiner flächenmäßig größten Gemälde inspirierte. „Durch die Anwendung des Goldenen Schnitts auf meine Maschinen schaffe ich unfreiwillig Monster, in denen die Wünsche und Ängste meiner Kindheit wiederkehren“, sagte er einmal. Jedem Bild gingen „Wochen des Klügelns und Rechnens“ mit dem Zollstock voraus, was sich anhand der Vorzeichnungen plastisch nachvollziehen lässt: „In der Zeichnung erstrebe ich die äußerste Härte, um mir in der Farbe die größte Süße erlauben zu können. Ich möchte Schrei und Belcanto vereinen.“

Als „überfälliges Heimspiel“ bezeichnet Kurator Kay Heymer die Retrospektive „Klapheck. Bilder und Zeichnungen“ im Museum Kunstpalast im Düsseldorfer Ehrenhof. Über dieses repräsentative Ensemble am Rheinufer, das im Stil der Neuen Sachlichkeit errichtet ist, hatte 1926 schon Richard Klapheck, der Vater des Künstlers, publiziert. Fast vierzig Jahre liegt die letzte Einzelausstellung Konrad Klaphecks in seiner Heimatstadt Düsseldorf zurück. An der dortigen Kunstakademie begann er 1954 zu studieren und malte bald darauf, ermutigt von Bruno Goller, seine legendäre schwarze „Schreibmaschine“. Dieses zur Ikone gewordene Werk mit dem schlichtesten aller Titel steht am Anfang der gut 70 repräsentativen Bilder und Zeichnungen, die der ungebrochen aktive Künstler mit aussuchte. Von 1979 bis 2002 lehrte Klapheck selbst an der Akademie, inzwischen ist er Ehrenmitglied. Ein Film zeigt den leidenschaftlichen Perfektionisten bei der Arbeit: „Die Pinsel müssen sauber sein für die nächste Tagesportion.“

Martin Walser nannte Klaphecks Kunst "Gesang mit Gegenständen"

Bei Straßenbahnfahrten durch die kriegsversehrte Stadt ereilte den elf- oder zwölfjährigen Konrad der „geheime Anruf der Dinge“. Flüchtig nahm er Beschriftungen und die Auslagen von Geschäften wahr, „eines Metzgerladens mit gesprenkelten Blutwürsten und einem Rinderkopf aus Porzellanimitation oder eines Schuhgeschäfts mit Reihen aufgehängter Holzschuhe“. Er begeisterte sich für die glänzenden Metallröhrchen der Güterwagen und fragte sich, „wie ich die Gleise wiedergeben sollte, die sich im Dunst des Herbstnachmittags verloren“. Der Text „Über meine Zeichnungen“ von 1982, abgedruckt im sehr empfehlenswerten Katalogbuch, benennt dreierlei: die Geburtsstunde eines gegenständlichen Malers, Klaphecks Faszination für Metall und seine literarische Begabung. Sie schlägt sich in den hoch assoziativen, ironischen bis frappierenden Bildtiteln wie „Der Urlaubsgruß“ für eine Gasmaske nieder, zu denen ihn sicherlich auch die Bekanntschaft mit den Pariser Surrealisten um André Breton inspirierte. Nicht zu vergessen die Holzschuhe, Verwandte der Schuhspanner, die neben Duschköpfen, Schreib- und Nähmaschinen oder Telefonen mit ihren perforierten Hörmuscheln zu Klaphecks erklärten „zehn Hauptgegenständen“ gehören.

Nach gut vier Jahrzehnten des „Gesangs mit Gegenständen“ (Martin Walser) wandte sich Konrad Klapheck 1997 der Porträt- und Aktmalerei zu. Der Eros, der vorher in den Maschinen schlummerte, offenbart sich nun sehr direkt, was viele Anhänger verstörte. Eine Ausnahme bildet der enigmatische Zyklus „Küche“ von 1997/98, in dem nackte Grazien mit stämmigen Beinen wie bei Fernand Léger mit Kuchenformen (als Pendant zur weiblichen Brust) oder Eierschneidern hantieren. Vorsorglich hängt in der Ecke ein Verbandskasten. So ganz will Konrad Klapheck von seinen metallenen Apparaturen also nicht lassen. Sie tauchen vor allem in den Porträts verehrter Jazzmusiker wieder auf, als Mikrofone und Saxofone, Letztere für Klapheck „ein Abbild sublimierter Männlichkeit“. Durch einen Hauch von Grün verhilft er ihnen zu Goldglanz.

Bis 4. August, Museum Kunstpalast im Ehrenhof in Düsseldorf (www.smkp.de). Katalog „Klapheck. Bilder und Texte“, herausgegeben von Beat Wismer und Kay Heymer (Hirmer Verlag,) 24,90 Euro.

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