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Rihanna auf der Bühne.

© dpa

Konzert von Rihanna: Rihanna in Berlin: Hart arbeiten, doll feiern

Rihanna veranstaltet in der O2 World ein knallbuntes Spektakel der Reizüberflutung: Feuerbälle schießen empor, wirre Videobilder flackern über die Monitore, die Sängerin zieht sich ständig um und singt sich durch diverse Hit-Medleys.

Sie waren in den frühen neunziger Jahren Fan der amerikanischen Funk-Metal- Band Extreme und würden ganz gerne wissen, was aus denen geworden ist? Nun, ihr Gitarrist Nuno Bettencourt steht am Dienstagabend in der Berliner O2 World. Er trägt eine Motorradjacke, die Haare wie ein Indianer und verzerrt sein Gesicht, während er ein jaulendes Solo auf 14 000 Zuschauer loslässt. Die meisten dürften ihn und seine Band („More Than Words“ war der größte Hit) kaum kennen. Und das ist schon in Ordnung. Er ist heute nur Rihannas Gitarrist. Im Radsport nennt man Leute wie ihn Edelhelfer. Und was soll man sagen? Er liefert ab. Ohnehin liefern an diesem Abend alle ab.

Als Rihanna vor einigen Monaten in Berlin ein sogenanntes Geheimkonzert vor einigen hundert geladenen Gästen gab, war das nur ein mittelmäßiges Vergnügen. Die Sängerin aus Barbados, die mit einem Flugzeug für eine ganze Reihe dieser Auftritte um die halbe Welt flog, ließ ihre Zuhörer etwa vier Stunden lang an ihren Bieren nippen, bevor sie sich irgendwann erbarmte, ein Stündlein ins Mikrofon zu kieksen. Insofern waren die Erwartungen vor dem Auftritt in der O2 World gemischt. Details der Show ließen sich vorab mühelos im Internet nachlesen. Die aktuelle „Diamonds World Tour“ der 25-Jährigen verfügt über einen eigenen Wikipedia-Eintrag. Da erfuhr man, dass das Konzert in fünf Akte gegliedert sei, also der Struktur der Oper oder der römischen Komödie folgen würde.

Diese Aufteilung des Abends dient jedoch kaum dem Aufbau einer bestimmten Dramatik, sondern gibt vor allem die Möglichkeit zu raschem Kostümwechsel. Während also im Abstand von jeweils 20 bis 25 Minuten die Scheinwerfer gedimmt werden und Bettencourt ein bisschen gniedeln darf, zieht sich Rihanna kurz zurück, um sich frisch zu machen. Neue Stiefel, neues Oberteil. Manchmal eine Sonnenbrille, gegen Ende ein silbernes Jäckchen. Nur die Hose vergisst sie meistens, vielleicht ist der entsprechende Koffer in Tegel hängen geblieben. Hoffentlich wird das kein Trend und wir sehen bald in der U8 junge Menschen, die lediglich aus Brokat gefertigte Schlüpfer tragen.

Andererseits: Die Verlockung, die Welt der Rihanna nachzustellen, dürfte gering sein, die Umsetzung schwierig. Schon im ersten Akt zeigt sich: In Sachen Bildsprache hat man es hier mit einem Kessel Buntes zu tun. Eine Logik ist nicht zu erkennen. Auf den Leinwänden über und neben der Bühne tauchen folgende Elemente auf: eine Kapelle, ein Säulengang, eine antike Statue, Büsten, die zu Staub zerfallen, Kanten gebrochenen Marmors, eine Zunge, die jene Kanten leckt, Kronleuchter, die Sonne, ein Adler. Alles animiert in einem Look irgendwo zwischen Salvador Dalí und den Covern der „Nebel von Avalon“-Buchreihe. Dazu wummern die Dubstep-Bässe – das wird den ganzen Abend lang so bleiben.

Kann Rihanna eigentlich singen, während sie durch die Choreografien hopst?

Rihanna auf der Bühne.
Rihanna auf der Bühne.

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Rihanna und die Tänzerinnen fassen sich in den Schritt und bewegen ihre Hinterteile, auch das sieht man noch einige Male. Zusammengenommen ergibt das eine enorme Reizüberflutung, unter der man die eigentlichen Songs erst mal finden muss, zumal die lustvoll dekonstruiert werden: „Umbrella“ etwa, jener Super-Hit aus dem Jahr 2007, ist live nicht mehr die heiter schunkelnde Sommernummer, sondern ein Rock-Ungetüm mit einer Melodie-Führung, die an den längst vergessenen Liquido-Hit „Narcotic“ erinnert. Andere Songs werden in Medleys zusammengefasst, also eher angespielt.

Bemerkenswert ist: Das „good girl gone bad“ – eigentlich fester Bestandteil der Rihanna-Persona – kommt selten vor. Nur im zweiten Akt, der dem freundlichen Karibik-Sound ihrer Heimat gewidmet ist, werden parallel zu Songs wie „Man Down“ oder „No Love Allowed“ Steckbriefe auf die Leinwände projiziert. Zwei Millionen Belohnung für Rihanna. Die Frau, die Wunden hat. Dazu trägt die Sängerin eine John-Lennon-Sonnenbrille und wackelt mit dem Bürzel.

Apropos good girl gone bad: Die Boulevardpresse spielte auch diesmal sehr zuverlässig die bekannte Begleitmelodie: Nach ihrem Auftritt in Köln, so konnte man lesen, sang Rihanna bis tief in die Nacht in einer Karaoke-Bar und genehmigte sich dort „vermutlich das ein oder andere Kölsch“. In Paris war sie „auf Party-Tour“, zwischendurch ließ sie ausrichten, sie habe gar nicht vor, ein Vorbild zu sein. Vielleicht ist das Imagepflege, wie auch das regelmäßige Hochladen von Kifferbildern in ihrem Twitter-Account.

Letztendlich folgt Rihanna mit diesem Verhalten nicht nur eigenen Textbausteinen, sondern auch den Leitsätzen der globalen Entscheider-Elite: Wer arbeitet, darf danach richtig schön die Sau rauslassen. Und daran, dass Rihanna arbeitet, dürfte kein Zweifel bestehen. Mehr als 30 Millionen Platten verkaufte sie bisher, sieben Studioalben erschienen seit 2005. Das ist ein Pensum, das nur mit gehöriger Disziplin zu wuppen ist. Gleichzeitig ist es ein lukratives Pensum: 53 Millionen Dollar, so rechnete „Forbes“ vor, verdiente Rihanna alleine zwischen Mai 2011 und Mai 2012.

Man muss Rihanna zugutehalten: Sie ist offenbar bereit dazu, ihre Einnahmen im wahrsten Sinne des Wortes zu verballern. In Akt drei gibt es nicht nur eine etwas irritierende Videobegleitung (die US-Flagge, das Gefahrenzeichen für Atommüll, Trucks, Motorräder, Autobahnen), sondern auch angemessen Pyrotechnik: Gleich bei zwei Songs schießen Kanonen Feuerbälle in den Hallenhimmel. Am Ende gibt Rihanna ein paar Autogramme, bevor sie dank einer ausgefuchsten Hebebühnenkonstruktion direkt im Bühnenboden verschwindet.

Eine Frage blieb über den ganzen Abend bestehen. Kann Rihanna eigentlich singen, während sie da hochkonzentriert durch die Choreografien hopst? Ist das alles live? Oft hat man den Eindruck, die beiden Backgroundsängerinnen leisten doch einen erheblichen Teil der Arbeit, an anderer Stelle meint man Samples auszumachen. Genau differenzieren kann man nicht, zu laut, zu bunt, zu kreischend ist der Abend, der aber gerade deshalb beglückt: Rihanna liefert ein interessantes Update zum Prinzip Popkonzert, ein lustvolles Gaga-Diorama, das dem Zuschauer keinerlei Pausen gönnt, zwei Stunden lang seine komplette Aufmerksamkeit einfordert. Hängen bleibt indes eher wenig. Aber immerhin weiß man jetzt, was Nuno Bettencourt so treibt.

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