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Kultur: Konzert: Wurzelsuppe

Als Meret Becker einmal die Knöpfe eines elektronischen Stimmungsgeräts für japanische Gitarren verdrehte, klang das für sie irgendwie nach armenischer Musik. Doch wenn die "Klangforscherin", die den Entschluss zur Patenschaft für das "Serenade Symphony Orchestra" in der isländischen Botschaft fasste, ein armenisches Kinderlied auf einer Pariser Spieluhr abdreht, zeigt das vor allem eines: Sie kommt viel herum.

Als Meret Becker einmal die Knöpfe eines elektronischen Stimmungsgeräts für japanische Gitarren verdrehte, klang das für sie irgendwie nach armenischer Musik. Doch wenn die "Klangforscherin", die den Entschluss zur Patenschaft für das "Serenade Symphony Orchestra" in der isländischen Botschaft fasste, ein armenisches Kinderlied auf einer Pariser Spieluhr abdreht, zeigt das vor allem eines: Sie kommt viel herum. Eher Europa-Eintopf mit wenigen exotischen Zutaten statt kräftiger Wurzelsuppe serviert auch das aus Absolventen der Tschaikowsky-Musikhochschule in Jerewan bestehende Orchester. Unter seinem Leiter Eduard Topchjan hat es innerhalb seines zehnjährigen Bestehens beachtliche Erfolge errungen, besticht auch an diesem Abend im Schauspielhaus durch hohe Klangqualität und mitreißende Intensität. Doch die mitgebrachte Musik enttäuscht. Die Sinfonie für Streichinstrumente und Kesselpauken (1962) des heute 80-jährigen Eduard Mirzoyan beschränkt sich darauf, ihre Anleihen bei Bartók oder Schostakowitsch pathetisch zu überhöhen, setzt sich davon höchstens durch eine "orientalisch" anmutende Üppigkeit und leider auch Weitschweifigkeit ab. Der erst 16-jährige Karen Hakopjan übertrifft in seiner brandneuen Sinfonie Nr. 2 den Doyen des armenischen Musiklebens durchaus an Farbigkeit und prägnanter Erfindung. Eine beachtliche Talentprobe des Gewinners des armenischen "Amadeus 98", der auch schon in einem USA-Wettbewerb ausgezeichnet wurde.

Doch auch dieser furiose Walkürenritt durchs Romantik-Arsenal bleibt im Breitwandsound großer Hollywoodschinken stecken. Bleibt dann doch nur der Griff zu Schostakowitsch. Dessen 5. Sinfonie allerdings, klingendes Brandzeichen stalinistischer Unterdrückung, erhält durch die Armenier eine Interpretation von seltener Überzeugungskraft. Da heben sich noch im größten Stimmendickicht die einzelnen Linien vom klangvoll-klaren Bassfundament leuchtend ab, stellen die Trauergesten des Beginns, die Klagelaute der Erinnerung, den Einbruch nackter (Klang-)Gewalt geradezu schmerzhaft plastisch dar, um sich mit noch heftigerem dynamischen Kontrast in die höhnische Schlussapotheose zu stürzen. Großer Jubel eines vorwiegend jungen Publikums.

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