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Christoph Eschenbach leitet das Konzerthausorchester seit 2019

© Foto: Marco Borggreve

Konzerthausorchester Berlin: Mit Ausrufezeichen

Chefdirigent Christoph Eschenbach und sein Konzerthausorchester stürzen sich in Gustav Mahlers 2. Sinfonie

Gustav Mahler stellte stets existenzielle Fragen: nach dem Sinn des menschlichen Lebens, nach der Nützlichkeit allen irdischen Strebens, nach Trauer, Trost und Tod. Seine ins Gigantische gehenden Sinfonien eröffnen den Musikerinnen und Musikern darum enorme Interpretationsmöglichkeiten. Zum Beispiel, ob sie in den Partituren eher Fragezeichen entdecken - oder Ausrufezeichen.

Christoph Eschenbach entscheidet sich am Donnerstag im ausverkauften Konzerthaus bei Mahlers Zweiter eindeutig für die Ausrufezeichen. „Auferstehungssinfonie“ lautet der Beiname des 1895 in Berlin uraufgeführten Neunzigminüters, nach dem Klopstock-Text, den der Komponist im Finalsatz dem Chor und zwei Solistinnen in den Mund legt.

Das Orchester spielt in Bestform

Kraftvoll hebt das eröffnende „Allegro maestoso“ an, den „durchaus ernsten und feierlichen Ausdruck“, der Mahler vorschreibt, ersetzt Eschenbach durch wilde Entschlossenheit, lässt Thema auf Thema folgen, kontrastreich, mit wuchtiger Selbstverständlichkeit.

Eine fast beiläufige Gestik genügt ihm dafür, so gut kennt das Konzerthausorchester mittlerweile seinen Chefdirigenten. Ein prachtvoller Cinemascope-Sound rauscht auf, farbenreich, sinnlich tiefenscharf. Die Instrumentalist:innen präsentieren sich in Bestform.

Mit ruhigem Puls entwickelt sich der langsame Satz, Eschenbach meidet konsequent den Wiener Schmäh und die Gemütlichkeit, die sich hier auch betonen ließe. Umso verstörender wirken die - wie von außen hereinplatzenden - Forte-Passagen mit ihrer bedrängenden Motorik.

Zum Perpetuum mobile wird das in sich kreiselnde zweite Intermezzo, innig und mitfühlend singt Mihoko Fujimura ihr Alt-Solo. Anschließend droht die Struktur etwas zu zerfasern, im Triumphgestus des Marsches aber vermag Eschenbach die Fäden wieder zusammenführen, der Slowakische Philharmonische Chor sorgt bei seinem Einsatz mit dichtem, dringlichem Klang für den erhofften Gänsehautmoment. Dann drängt alles der Apotheose entgegen.

Eine Menge Ausrufezeichen sind das an diesem Abend, vieles wirkt kalkuliert-effektvoll, wie Filmmusik avant la lettre. Christoph Eschenbach will in seiner letzten Spielzeit als Chef am Gendarmenmarkt ganz offensichtlich noch einmal ausgiebig die Schönheit der ganz großen Sinfonik feiern, das enorme Potenzial seines Orchesters genießen. Das sei ihm von Herzen gegönnt.

Das Konzerthausorchester spielt Mahlers Zweite auch noch am 11. und 12. November, jeweils um 20 Uhr.

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