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Simone Young

© Bertold Fabricius

Konzerthausorchester Berlin: Wie beim Rodeo

Quecksilbrig und körperlich: Die Dirigentin Simone Young beeindruckt mit Werken von Zemlinsky, Zuraj und Schumann beim Berliner Konzerthausorchester.

Schön und sehr gut, dass Simone Young das Konzerthausorchester ausgerechnet an dem Tage dirigiert, an dem Kulturstaatsministerin Monika Grütters ihren Bericht zur Lage der Frauen im Kulturleben vorstellt. Kaum Dirigentinnen also, das hätten wir uns schon fast gedacht – hier aber steht eine Frau, die exzellent dirigiert. Young übt jene Wirkung aus, die Musikerinnen und Musiker ganz besonders schätzen, sie zwingt sie nämlich, auf den vorderen Stuhlkanten zu spielen. Selten haben wir so viel Schweiß in den Reihen gesehen wie im Finale von Schumanns Vierter, selten ein so unängstlich körperliches Dirigat erlebt.

Nach dem quecksilbrigen Eingangssatz von Zemlinskys „Sinfonietta“ op. 23 sorgt Young dafür, dass auch die Ballade des Mittelsatzes „nicht schleppend“ gerät, und für das Rondo hält sie Bewegungen bereit, mit denen sie Rodeo reiten könnte. Die Kehrseite der Medaille ist, dass es kaum zu Innerlichkeit kommt, zu einem Sich-selbst-Zuhören. Nicht einmal bräsige Momente gibt es. Der Erfolg hingegen gibt Young recht, das Konzerthausorchester springt und klingt, der Abend gerät überaus belebt. Ob das Grund genug dafür war, Vito Zurajs 2014 uraufgeführtes Hornkonzert „Hawk-eye“ mit ins Programm zu nehmen? Der junge slowenische Komponist hört vom Parkett aus aufmerksam zu, wie der israelische Hornist Saar Berger das Instrument massiv abdämpft und ihm das noble Bariton-Timbre austreibt, wie er die mitunter recht verbrabbelten Solopassagen spielt, wie Harfe und Xylophon einander mit Gesprächsfetzen überbieten und das ganze Orchester in sportliche Erregung gerät. Man schaut und staunt und atmet schnell; den Weg durch die Konzertsäle wird dieses Stück gewiss erfolgreich gehen, auch wenn die Hornpartie mit dem Erstickungstod der letzten Töne ein ungnädiges Ende findet.

Simone Young unterdessen zeigt ihre Qualitäten noch einmal während des Schlussapplauses. Wenn sie mit allergrößter Bestimmtheit den Finger streckt und auf Einzelne zeigt, um deren solistische Leistung hervorzuheben, so mag dies tatsächlich dem Konzert gelten. Zugleich scheint aus dieser Geste auch tüchtige Schulmeisterlichkeit und genaue Qualitätskontrolle in den Proben zu sprechen, keine schlechte Voraussetzung für künftige gemeinsame Konzerte.

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