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Konzertkritik: Außerirdisch

Die Band Apparatjik in der Neuen Nationalgalerie

„Spacig“ ist ein Wort, das sparsam bis gar nicht verwendet werden sollte. Nicht im deutschen Sprachgebrauch und bestimmt nicht in Verbindung mit Bands wie Coldplay. Schließlich sind Coldplay wie tiefrote Sonnenuntergänge, Lagerfeuer am Strand und getrocknete Rosen zusammen. Wenn nun aber der Bassist der britischen Band vor einem steht, Guy Berryman, im Silberanzug, mit Helm, falschen Elchhörnern und Gasmaske, klingt das plötzlich richtig: spacig. Von irgendwo irgendwie ist er in der Neuen Nationalgalerie gelandet mit drei Kollegen, denen man die außerirdische Anmutung ebenso wenig zugetraut hätte: Jonas Bjerre, Sänger der dänischen Indie-Rocker Mew, Magne Furuholmen, Keyboarder von a-ha, und Martin Terefe.

„Dort, wo wir herkommen, gilt unsere Kleidung nicht als schräg“, erklären die Musiker, die sich in Glitzer gehüllt haben und reden, als kämen sie von einem fernen Planeten: „In einer anderen Welt sind wir womöglich Helden.“ Hier, im Glasbau am Potsdamer Platz, glaubt man das gern. Als die Jungs wie Roboter über den roten Teppich staksen, gibt es Applaus und Mädchen, die eilig Kameras zücken. Das liegt am Starfaktor, der darüber hinwegsehen lässt, dass man noch nie von „Apparatjik“, dem Namen dieses Mischwerks aus Kunst und Klang, gehört hat. Und an der Performance, die jene Meister des Pop hinlegen. Anfangs ist kaum mehr zu sehen als ein weißer Kubus, mitten in den Raum gestellt und mit milchiger Folie überspannt. Unsichtbar alles, was dahinter verborgen liegt, bis es knallt und die ersten Akkorde erklingen, Lichtspiele über die Leinwand huschen, Schatten von Mikrofon und Gitarre auftauchen. Bis klar wird: Die Musik wird im Inneren jener Wände gemacht, von außen sind nur Umrisse erkennbar. Verlaufende Farben bilden sich an den Würfelseiten ab. Apparatjik haben letztes Jahr ihr erstes Album veröffentlicht und treten nun als Scherenschnitt auf, der sich bewegen kann. Man könnte das Konturen-Konzert nennen. Oder Kubus-Konzert.

Wie das zusammenpasst, warum Alien-Dresscode herrscht, können die Männer nicht sagen. So viel wissen sie: Um Kunst herzustellen, muss Neues ausprobiert werden. Durch Bezüge zu Popkultur oder Geschichte. Großes Vorbild ist László Moholy-Nagy, der mit seinem Licht-Raum-Modulator bereits 1930 visuelle Experimente präsentierte. Ihm zu Ehren lassen Apparatjik abstrakte Bilder über ihren Kubus flimmern und Nacht für Nacht auf die Potsdamer Straße leuchten. Damit huldigen sie zugleich einem zweiten Bauhaus-Künstler: Mies van der Rohe, Architekt der Neuen Nationalgalerie, der Ende März vor 125 Jahren geboren wurde. Annabelle Seubert

Neue Nationalgalerie, Potsdamer Str. 50, Installation bis 25. 3., Konzert am 26. und 27. 3., 21 Uhr.

Annabelle Seubert

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