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Kultur: Kopf oder Tuch

Caroline Fetscher über Streitfragen der zweiten Islamkonferenz

Necla Kelek freut sich. Vor allem über die neue demokratische Streitkultur, die mit der vom Innenministerium ins Leben gerufenen Islamkonferenz entsteht. Es sei „geradezu revolutionär, dass konservative und säkulare Muslime“ nun miteinander diskutieren. Feridun Zaimoglu aber, klagt sie, suche diese Streitkultur „zu denunzieren“. Zaimoglu, Autor eines gepriesenen Romans über das türkische Patriarchat („Leyla“, 2006) hat nämlich moniert, dass fromme Musliminnen von der Islamkonferenz ausgeschlossen bleiben. Der Autor bot an, für eine solche Dame seinen Konferenzsessel zu räumen und drohte mit seinem Rückzug aus der zweiten Islamkonferenz, die sich am Mittwoch versammeln soll.

Wieder einmal geht es um die „Kopftuchfrau“, und Zaimoglu hat ja durchaus Recht. Namenlos, ohne Gesicht und Stimme verharrt dieses allegorische Wesen der Soziologie im entfremdeten Kollektivsingular und lebt doch mitten unter uns. Sie oszilliert zwischen den Einkaufstüten schleppenden Kreuzberger Türkenmüttern einerseits und schicken Neo-Islam-Studentinnen andererseits und bleibt doch hinter den Kulissen der Gesellschaft versteckt. Sie drängelt sich nicht vor, wird nicht vorgeschickt, nicht nominiert. Doch daran ist nicht Wolfgang Schäuble schuld, der die begrüßenswerte demokratische Übung ins Leben rief, sondern es ist tief in eben dem Milieu begründet, aus dem diese Frauen stammen. Ein Milieu, in dem ein Klima der Unterordnung aus Tradition herrscht, wie Zaimoglu es eindrucksvoll schildert. Neuerdings entsteht daneben eine Counter-Culture, in der die Unterordnung unter Allah als Geste der Rebellion vorgeführt wird, gegen etwas insgesamt Schleierhaftes, das gern summarisch „der Westen“ genannt wird.

In Frage gestellt von Säkularisten und Feministinnen aus Orient wie Okzident, von „Emma“ bis CDU, erhält die „Kopftuchfrau“ gleichwohl Rückendeckung nicht nur von ihren Brüdern, sondern nun auch durch eine Studie der Kulturwissenschaftlerinnen Christina von Braun und Bettina Mathes, die mit „Verschleierte Wirklichkeit. Die Frau, der Islam und der Westen“ (Aufbau Verlag) ein Pamphlet zum Ressentiment wider den Schleier vorlegen. Sie fanden unter anderem heraus, dass die Verhüllung den Schutz der Frau leiste, dass „higab“ (Schleier) die arabische Bezeichnung „für die in der Hochzeitsnacht verletzte Jungfräulichkeit“ bedeutet, und dass es männlich-kolonialen Orient-Fantasien stets darum ging, den „Schleier“ zu zerreißen, ergo den Frauen sexuelle Gewalt anzutun. Frauen, die sich auf die Seite der entschleiernden Säkularisten stellen, seien schlicht von diesen angesteckt, etwa Ayaan Hirsi Ali, die mit Theo van Gogh einen „pornographischen“ Film gedreht habe. Solche Frauen seien dem Neokolonialismus auf den Leim gegangen. Neokolonialismus oder Neoislamismus: Ideologische Frontlinien, die nirgends der Wirklichkeit standhalten. Schon darum würde man sie gerne dabei wissen, die frommen Muslimas auf der Islamkonferenz. Vielleicht meldet sich ja doch noch eine.

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