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Kultur: Kopf und Fuß

„Der Kult des Künstlers“: Die Alte Nationalgalerie startet Ausstellungsreigen zum Schuster-Abschied

Es gehört zu den Sehnsüchten eines jeden Museumsdirektors, der sein Leben dem Ruhm der Künstler gewidmet hat, einmal selbst solche Seligsprechungen zu erfahren. In stillen Stunden möchte er seinen eigenen Namen im Tempel der Kunst gewürdigt wissen. Peter Klaus Schuster, der zum Monatsende scheidende Generaldirektor der Staatlichen Museen Berlin, verwirklicht sich nun diesen Traum. Nicht ein Museum, nein alle drei Häuser, die er als Direktor der Nationalgalerie in Personalunion mit dem Amt des „Generals“ führte, lässt er ungeniert jubeln. Alte Nationalgalerie, Hamburger Bahnhof und Neue Nationalgalerie feiern zwar nicht explizit den Monogrammisten „PKS“, so Schusters Kürzel, aber sie zelebrieren zu seinem Abschied den „Kult des Künstlers“, was am Ende auf das Gleiche hinausläuft. Wer die Rückkehr der eigentlich verabschiedeten Künstlerstars deklariert, der will als ihr Wiederentdecker, ihrer aller Übervater in Erinnerung bleiben.

Gestern begann der Ausstellungsreigen mit der Ouvertüre in der Alten Nationalgalerie, der Wiege der deutschen Künstlermythen. Hier strebten sie alle hin, hier wurde Kunstgeschichte geschrieben. Wer im 19. Jahrhundert in diesen Weiheort gelangt war, der auf seinem Sockel die anderen Häuser der Museumsinsel überragt, der hatte es auf den Olymp geschafft. Die programmatische Eröffnungsschau, an die sich Beuys, Warhol, Kippenberger im Hamburger Bahnhof, Klee und Koons in der Neuen Nationalgalerie anschließen werden, widmet sich daher dem „Tempel der Kunst“. Hinzu kommen eigene Ausstellungen zu Hans von Marées (Besprechung folgt morgen) und ab 9. Oktober zu „Schinkel und Brentano – Wettstreit der Künstlerfreunde“.

Neun Monate blieben Bernhard Maaz nach dem Geistesblitz seines „Generals“, um das große Finale an der Alten Nationalgalerie vorzubereiten. Er hat das Haus unter dem Vorzeichen „Die Künstlermythen der Deutschen“ vollkommen neu gedacht und damit den Bestand einer höchst anregenden Lesart unterzogen. Ein guter Anlass, das Gewohnte umzustoßen. Auch für Udo Kittelmann, Schusters Nachfolger als Nationalgaleriedirektor, ist das glückliche Fügung, denn nach Ausstellungsende im Januar kann er sich im Rundumschlag an allen drei Häusern neu positionieren.

Was aber bleibt von den großen Künstlerviten? In einer Vitrine im Saal mit den Selbstporträts der Maler liegt ein ramponierter, vergoldeter Lorbeerkranz, den Christian Daniel Rauch von seinen Schülern zum 70. Geburtstag erhielt. Daneben befindet sich Schinkels Brille samt Etui und der nutzlos gewordene Schlüssel zu Rauchs einstigem Museum in der Orangerie von Schloss Charlottenburg. Die Objekte rühren an, denn Künstlermythen spielen sich ansonsten fern solcher Niederungen wie Sehschwäche oder Schlüsselbund ab.

Trotzdem kommt die Ausstellung dem Künstlerselbstbild und seinen Tücken auf die Spur. Kaum einer hat sein eigenes Konterfei so oft gemalt wie Anton Graff. Fünf seiner insgesamt 70 Autoporträts zeigen seine ungeschönte Bestandsaufnahme, an deren Ende 1813 ein 77-Jähriger mit Augenschirm steht. Das wichtigste Instrument des Künstlers, sein Augenlicht, gehorcht ihm nicht mehr. Menzel, der Realist, verwahrt sich von vornherein gegen alle großen Gesten, die Künstlerfürsten wie Lenbach und Stuck noch so majestätisch in Lebensstil und Selbstbildnissen vollführten. Menzel malt statt des Kopfes seinen knorrigen Fuß, an dem Alter und Kleinwüchsigkeit ablesbar sind. Sein Künstlerego bekommt davon keinen Knacks, den Mythen aber verabreicht er einen Tritt.

Zum Künstlermythos gehört auch das Schwanken zwischen Gemeinschaft und Einsamkeit, Ruhm und Entbehrung. Die Ausstellung greift aus von den Nazarenern bis zu den ausnahmsweise in der Alten Nationalgalerie gezeigten Malern von „Brücke“ und „Blauer Reiter“. Selten waren sie so schön zu sehen wie hier. Der Tempel der Kunst hat eben bis ins 20. Jahrhundert hinein seine erhebende Wirkung.

Alte Nationalgalerie, Museumsinsel, bis 18. Januar. Katalog 19,90 €

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