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Kultur: Kopfball (2)

Der Kollege von der Meinungsseite hatte die Sorge, ob das WM-Gefühl wohl so toll wie früher sein werde, wenn die Sonne dauernd auf den Fernseher scheint. Jetzt ist es kurz vor 15 Uhr und fürs Erste muss man festhalten: Draußen regieren die Wolken und außerdem hat der schon etwas ältere (und weisere) Kollege A.

Der Kollege von der Meinungsseite hatte die Sorge, ob das WM-Gefühl wohl so toll wie früher sein werde, wenn die Sonne dauernd auf den Fernseher scheint. Jetzt ist es kurz vor 15 Uhr und fürs Erste muss man festhalten: Draußen regieren die Wolken und außerdem hat der schon etwas ältere (und weisere) Kollege A. von der Sonntagsbeilage zur Sicherheit noch das Rollo runtergelassen. Es ist also ein bisschen dunkel im Büro, aber man sieht prima. Das Spiel läuft ganz nett und etwas überraschend, Senegal geht in Führung. Mein Liebling ist der Schiedsrichter, ein Mann mit beachtenswerten Ohren. Meine Lieblingsszene war der Jubel der Senegalesen nach dem ersten Tor der WM. Einen solchen Tanz hat man noch nicht gesehen. Jetzt hat es also angefangen, das große Fußballfest. Irgendwie müssen wir alle damit fertig werden, dass die Spiele, alle Spiele tagsüber stattfinden. Und wie es im Leben so ist, lernt man ja in Extremsituationen bekanntlich am besten die Menschen in seinem Umfeld kennen. Der jüngere Kollege A. von der Sonntagsbeilage hat heute morgen verraten, dass er immer beim Fußballschauen Bier trinkt und eine Wurst mit Senf isst. Die ersten Spiele werden nun schon morgens um acht Uhr übertragen. Was soll er jetzt machen, fragt er ratlos in den Raum. Wurst und Senf und Kaffee? Oder Bier und Marmelade? Irgendeinen Kompromiss wird er finden müssen. Kann man arbeiten und gleichzeitig Fußball schauen? Klar geht das. Muss ja. Oder kann das auch schief gehen? Versuchsobjekt Tagesspiegel. Wird man dem Leitartikel anmerken, dass Deutschland gerade, wenn der Text fertig werden muss, verloren hat? Wie wird der Chefredakteur reagieren, wenn Italien verliert? Er soll zuweilen sehr traurig und apathisch werden, wenn das geschieht. Wie auch immer, hier in dieser täglichen WM-Kolumne werden wir auch über unser Innenleben informieren. Und sonst? Günter Netzer hat kurz nach 14 Uhr in der Halbzeitpause des ersten WM-Spiels davon gesprochen, dass Frankreich "ihre Mitte" noch nicht gefunden hat. Und unsere Mitte? Werden wir sie verlieren in den nächsten vier Wochen? Egal, wir sind zuversichtlich.

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