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Hat allen Grund zu Lächeln: Kraftklub-Sänger Felix Brummer.

© dpa

Kraftklub im Interview: "Dann sind wir vielleicht Kommerzschweine"

Ein rasanter Start innerhalb von zwei Jahren - Die Band Kraftklub spricht im Interview über ihren plötzlichen Erfolg, die laufende Tour und ostdeutschen Lokalpatriotismus.

Nach eurer Gründung Anfang 2010 folgte nach verhaltenem Radio-Airplay ein New Music Award und Support-Touren für Casper, Fettes Brot und die Beatsteaks, sowie eine Teilnahme am Bundesvision Songcontest. Nun erscheint das erste Album gleich bei einem Majorlabel: Das nennt man einen guten Start.

Ja, auf jeden Fall. Wir hatten Schwein in vielen Belangen. Worauf ich aber immer viel Wert lege, ist, dass diese Tour nicht so erfolgreich ist, weil wir beim Bundesvision Song Contest mitgemacht haben, sondern weil wir schon extrem viel unterwegs waren und uns viele Fans wirklich erspielt haben. Und ich glaube, das ist auch, was uns ein bisschen unterscheidet von solchen Plastik-Bands. Dass wir wirklich solch eine Ochsentour gemacht haben und teils, wie in Osnabrück, wirklich noch vor 30 Leuten gespielt haben. Dass wir wirklich nicht erst Hochklassiges hatten, sondern die ganze Zeit unterwegs waren, überall.

Das wirkt jetzt, vor allem in diesen knapp zwei Jahren, so, als wäre das alles überrumpelnd gekommen?

Ja, das ist auf jeden Fall eine megakrasse Nummer. Diese Tour ist ein Jahr nach der Tour mit Casper. Und jetzt bespielen wir die gleichen Läden und alles ist ausverkauft. Es ging uns ums Live-Spielen, deswegen haben wir angefangen, deswegen machen wir das und dies ist immer, woran wir alles messen. Keine Ahnung, ob die Single für zwei Wochen jetzt irgendwie auf Platz 5 ist, ziemlich egal. Es geht uns nur darum, ob ein paar Leute kommen, wenn wir live spielen. Ob die Leute Spaß haben. Dass wir feiern können. Und das funktioniert und ist, warum wir so euphorisch sind. Wir haben immer das Gefühl, dass wir trotzdem, obwohl wir so überrumpelt wurden, dennoch keine Stufen ausgelassen haben auf der Leiter. Dass wir zwar jetzt ganz schnell hochrennen, aber dass wir nicht irgendwie etwas übersprungen haben.

Ihr übt Kritik an Pseudo-Individualität und selbstverliebter „Ich will was mit Medien machen“-Attitüde, die vor allem in Berlin so um sich greift. Ist discotauglicher Indierock da die richtige Mischung zur Kritikvertonung? Ist es nicht wahrscheinlich, dass viele, die ihr kritisiert, letztendlich zu eurer Musik abgehen?

Das haben wir gesehen, als wir auf dem Berlin-Festival gespielt haben. Das war sehr lustig. Aber im Endeffekt ist das die Musik, die wir können. Musik, die wir gerne machen und auch hören. Wir haben auch ein bisschen davor einen Song gemacht, der „Scheißindiedisco“ heißt und ein klassischer Indiepopsong ist. Ich finde nicht, dass sich das ausschließt.

In einem eurer ersten Songs besingt ihr das schwere Erbe der jungen Generation, „Zu jung für Rock´n´Roll“ zu sein. Wogegen rebelliert ihr heute noch?

Das fällt zunehmend schwerer. Wir haben den Song nicht aus Mangel an Rebellion geschrieben. Vielmehr über die Frustration darüber, dass unsere Eltern tatsächlich viele von diesen Dingen schon erlebt haben. Und dass das früher viel romantischer klang, als es bei uns dann tatsächlich war. Wir waren auch auf Montagsdemonstrationen gegen den Irakkrieg, aber es klang alles immer viel spannender, wenn sie erzählt haben, wie sie alle zusammen gegen den Staat waren, gegen die Diktatur, in der sie aufgewachsen sind und verfolgt wurden von der Stasi. Natürlich ist uns das klar, dass es jetzt nicht direkt erstrebenswert sein sollte, in einer Diktatur groß zu werden. Aber trotzdem kann man nicht leugnen, dass es rein aus Erzählungen eine gewisse Romantik transportiert hat.

Dadurch, dass ihr Indierock mit Deutsch-Rap mischt, wird euch teils vorgeworfen, nur eine Nische zu besetzen, ein Zeitgeistprodukt zu sein.

Was heißt vorgeworfen? Im Prinzip kann man das einem vorwerfen oder es als Kompliment meinen. Vielleicht gibt es in zwei Jahren eine hippere Band, die das noch mehr trifft. Aber jetzt sind wir das halt. Und das ist irgendwie auch okay. Es ist einfach eine Mischung aus unserem eigenen Musikgeschmack und dem unseres Freundeskreises, das all diese Themen, über die wir singen, diktiert.

Ihr bezieht klar Stellung zu eurer Heimatstadt Chemnitz, die ihr stets Karl-Marx-Stadt nennt. Wenn man allein euer ironisches Beck-Zitat nimmt: „I`m a Loser, Baby, original Ostler“. Wieviel ostdeutsche Verwurzelung tragt ihr mit 22 noch in euch?

Wir sind alle Wendekinder. Aber niemand von uns war bei der FDJ, wenn man so will. Aber natürlich kriegt man das mit. So etwas verschwindet nicht von einer Generation auf die andere. Und unsere Eltern sind komplett DDR-sozialisiert. Das kriegt man natürlich auch mit, dieses ständige Underdog-Ding. Vielleicht wäre das auch anders gewesen, wenn wir in Dresden groß geworden wären, aber wir sind zusätzlich auch noch in Chemnitz groß geworden. Und da ist es immer dieses lustige Zwischending, dass man sich schon in der frühsten Kindheit bewusst ist, dass die Stadt, in der man aufwächst, nicht das Wahre ist. Dass es eigentlich nicht wirklich eine Perspektive gibt, hier zu bleiben. Und trotzdem ist es ja die Heimat, die man liebt und die man auch irgendwie wertschätzt und diese klassischen Heimatgefühle hegt. Den Stolz entwickelt man, hat man schon in der Kindheit entwickelt, wenn man irgendwo im Urlaub war und andere Kinder kennengelernt hat und dann sofort abgestempelt wurde als die Lusche. Und man sich dann gefragt hat, „Warum bin ICH denn jetzt die Lusche? Ihr wisst doch überhaupt nicht, wie es da ist. Ihr seid die Luschen! Nur, weil ich aus dem Osten bin und aus Chemnitz, heißt das doch noch lange nicht, dass ich nicht so cool bin wie ihr!“. Und dann eignet man sich so einen albernen und leicht albernen und überzogenen Lokalpatriotismus an, den man die ganze Zeit in sich trägt.

Vergleicht man die EP „Adonis Maximus“ mit eurem anstehenden Album „Mit K“, fällt auf, dass ihr inzwischen ernster wirkt, nicht nur partytaugliche Indierock-Hymnen schreibt, sondern auch persönlichere Töne anschlagt. War das alte Party-Image eine Art Sicherheitsfaktor, um nicht zuviel von sich preiszugeben?

Ja total. Schon bei der EP musste ich überredet werden, dass ich „Liebe“, dieses sehr ironische Liebeslied, rauslasse, weil mir das zu persönlich war. Weil mir das eigentlich schon zu peinlich war. Weil man erahnen konnte, dass da Sachen auch ernst gemeint waren. Und davon habe ich mich jetzt ein bisschen freigemacht. Im Endeffekt würde ich mich selbst langweilen, wenn man sich so doch reduzieren lässt, nur die eine Richtung zu bedienen. Nur Witze zu erzählen oder nur traurige Sachen zu sagen. Und ich finde es cool, wenn man die Gelegenheit nutzt, beides zu machen. Ich fühle mich damit jetzt wohler.

Letztendlich ist der Regelfall, erst das Album zu produzieren, danach zu touren, um auf das Album aufmerksam zu machen. Ihr stellt euer Album der Tour hintan. War das bewusst gewählt?

Absolut. Uns war das extrem wichtig, dass wir eben nicht in diese Falle tappen, Album raus und dann die ganz große Tour. Bis auf Berlin haben wir keine einzige Location hochverlegt. Wir haben alles klein gelassen. Wir wollten eine Tour fahren, wo wir wirklich 38 Daten spielen und wirklich jeden Kellerklub mitnehmen. Und teils die kleinsten und absurdesten Locations besuchen, damit wir wirklich nochmal im Sprinter durch Deutschland fahren und allen Leuten, die uns sehen wollen, Hallo sagen. Das war uns wichtig. Und dann kann das Album kommen und dann sind wir vielleicht irgendwelche Kommerzschweine. Aber dann haben wir wenigstens einmal so eine Tour gemacht, wo alle krass geschwitzt haben und uns in den Armen gelegen haben.

Kraftklub spielen am 17.12. im ausverkauften Astra Kulturhaus.

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