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Kultur: Kreatur im Labor

THEATER

Das Wesen aus dem Wald, nicht Tier noch Mensch, wild und ohne Sprache, stürzt Gewissheiten um. Was macht den Menschen aus? 1797 wurde in Südfrankreich der „Wilde von Aveyron“ entdeckt und durch den Pädagogen Jean Itard einem mehrjährigen, schließlich scheiterndem Zivilisierungsversuch unterzogen. Der Dramatiker Peter Charlton greift in seinem Stück Der Wolfsjunge diesen Fall auf und geht der Frage nach, ob der im finsteren Forst aufgefundenen, vermutlich zwölf Jahre alten Kreatur Erziehung zuteil werden soll, und wie diese Erziehung auszusehen hat. Der Wilde wird dabei Zentrum eines Experimentes, das weniger ihm als den drei Menschen gilt, die ihm begegnen: dem „Chor“ in Vertretung der Geistesbegabten, einem Lehrer und einer mütterlichen Frau. Uwe Cramer hat den Text in der „Turnhalle“ des Berliner carrousel Theaters an der Parkaue schnörkellos inszeniert (nochmals am 15. Januar, 10.30 Uhr). Ein streng geometrischer Raum (Bühne/Kostüme: Ulv Jacobsen), mit Gaze- Gespinst umschlossen, liefert Laboratmosphäre; und in ihm bewegen sich die Erzieher: die drei fremdartigen Herren des Chors etwa mit ihren Masken und ihrem zeremoniellen Gehabe: Sind das etwa Menschen? Der Wolfsjunge dagegen, von Roman Weltzien gespielt, gewinnt wie von selbst Sympathie durch geschmeidige Bewegung, durch die Hingabe an die mütterliche Frau, durch urtümlich-trotzige Fremdheit. Das junge Publikum war atemlos bei der Sache – vielleicht gerade weil am Ende der Erziehungserfolg ungewiss bleibt.

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