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Kultur: Krens stößt an Grenzen

In seiner größten Krise besinnt sich das New Yorker Guggenheim-Museum auf sein Kerngeschäft: die Kunst. In der Berliner Dependance startet am Freitag eine Malewitsch- Ausstellung

Dem New Yorker Guggenheim-Museum geht es nicht gut. Ganz böse Zungen reden bereits den Untergang des Imperiums herbei. Es ist ja wahr: Nach einer jahrelangen, ununterbrochenen Expansionsphase reiht sich seit Ende 2001 Hiobsbotschaft an Hiobsbotschaft: Ausstellungen wurden abgesagt, Mitarbeiter entlassen, das Budget zusammengekürzt. Die Hybris der Guggenheim-Stiftung und ihres bis dahin unumschränkt herrschenden Chefs, Thomas Krens, hatte der Zorn der Götter bestraft.

In ihrer Schadenfreude überboten sich die Kritiker. So konnte man in der Münchner „SZ“ lesen, „von Guggenheim-Kuratoren organisierte Ausstellungen“ hätten „mangels finanzieller Mittel nicht mehr in New York ihre Premiere, sondern in diversen Partnermuseen“, darunter „Malewitsch in der von der Deutschen Bank am Leben gehaltenen winzigen Berliner Guggenheim-Filiale“.

Nun soll am Freitag dieser Woche in der Tat eine Ausstellung mit 85 Werken von Kasimir Malewitsch eröffnet werden, die von Berlin aus zu ihren weiteren Stationen im New Yorker Guggenheim-Mutterhaus sowie in der de Menil-Sammlung im texanischen Houston, einer über Qualitätszweifel wahrlich erhabenen Institution, aufbrechen wird. Doch der Berliner Tourneestart ist durchaus nicht den schlechten Zeiten geschuldet: Bereits die Eröffnungsausstellung der Guggenheim-Filiale Unter den Linden mit Werken des Franzosen Robert Delaunay – ein kunsthistorisch vergleichbar ambitioniertes Unternehmen – hatte im November 1997 ihre Premiere in Berlin, bevor sie in New York gezeigt wurde. Und ganz abgesehen davon hat die Berliner Dependance bereits acht eigens für diesen Ausstellungsraum konzipierte Auftragsausstellungen zeitgenössischer Künstler gesehen, zuletzt „Acht Grau“ von Gerhard Richter. Insgesamt kamen in den vergangenen fünf Jahren fast 600000 Besucher in „das“ Deutsche Guggenheim Berlin, wie man selbst genannt werden will.

Die stabile Zusammenarbeit mit der Deutschen Bank, die sich ihr Engagement eine streng geheim gehaltene Summe von geschätzten zweieinhalb Millionen Euro im Jahr kosten lässt, zählt derzeit zu den größten Aktivposten des Guggenheim-Museums. Das Haupthaus in New York steckt dagegen tief in der Krise. Vielleicht waren es nicht die Götter, die die Hybris straften, zumindest aber die Terroristen des 11. September. Mit dem Ausbleiben der Touristen brach die auf reichlichen Zulauf berechnete Kalkulation zusammen.

Der Vorwurf trifft allerdings zu, dass Guggenheim-Alleinherrscher Thomas Krens viel zu lange mit den nötigen Anpassungen gezögert hat. Das volle Ausmaß der Krise wurde erst im vergangenen Spätherbst deutlich, als Stiftungsrats-Vorsitzender und Haupt-Gönner Peter B. Lewis, ein vermögender Versicherungsunternehmer, den Haushaltsplan für 2003 zurückwies. Tom Krens musste den Etat abermals zusammenstreichen; er wird in diesem Jahr nur mehr 24 Millionen Dollar – für den New Yorker Stammsitz – erreichen, nachdem er 1999 noch glatt das Doppelte betragen hatte. Entsprechend ist auch das Personal von 391 Angestellten auf 181 zusammengeschmolzen. Lewis übernahm im Gegenzug Altschulden und ausstehende Rechnungen in Höhe von 12 Millionen Dollar, um einen Neustart zu ermöglichen. „In der Jagd nach seinen Träumen und der Bewältigung seines Tagesgeschäfts“, resümierte der Versicherungsmogul, „hat das Guggenheim-Museum zuerst seine Rücklagen von gestern aufgebraucht und danach die Zuversicht von morgen.“

Die Träume – die hatten Gestalt angenommen in Frank O. Gehrys silbrig schimmerndem Modell des geplanten Neubaus am East River, der im April 2000 einer staunenden Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Damals galt noch: the sky is the limit. 150 Meter hoch sollte das Ungetüm südlich der Brooklyn Bridge in die Höhe wachsen, annähernd eine Milliarde Dollar kosten, 2550 neue Arbeitsplätze schaffen und bei drei Millionen Besuchern im Jahr mindestens 280 Millionen Dollar Umsatz generieren.

Die Stadtväter New Yorks zeigten sich angetan, die von eher konservativer Seite geäußerte Kritik an der angestrebten Vermischung von musealen und kommerziellen Flächen in dem Gebäudekomplex verhallte. Als Tom Krens, Absolvent sowohl der renommierten Kunsthistorikerschule im idyllischen Williamstown als auch der Elite-Schmiede der Harvard Business School, gar die Eröffnung einer Museumsfiliale in der Glücksspielstadt Las Vegas ankündigte, schien der (Ab-)Weg zum „McGuggenheim“ unwiderruflich besiegelt.

Es kam bekanntlich anders. Die merkwürdige Hochzeit von Casino und Museum im Spielerparadies von Nevada kam zwar im Oktober 2001 noch zu Stande, stand aber bereits unter dem Bann des New Yorker Anschlags. Kurz darauf musste ein ungewöhnlich nachdenklicher Krens eingestehen, die Zukunft auf allzu schöne Prognosen gebaut zu haben. Die Realität war bitter: Ungeachtet seiner 40 Millionen (!) Jahresbesucher, von denen nur jeder Tausendste für die Kunst hätte gewonnen werden müssen, blieb Las Vegas ein Zuschussgeschäft.

Sang- und klanglos wurden vor wenigen Tagen die beiden, vom niederländischen Architektenstar (und Harvard-Professor) Rem Koolhaas entworfenen Ausstellungshallen geschlossen. Dass zuvor bereits die von Arata Isozaki gestaltete Guggenheim-Filiale in New Yorks Trendviertel SoHo dicht gemacht worden war, fiel im allgemeinen Katzenjammer kaum noch auf.

„Was wird jetzt aus einem Museum, dessen Identität unauflöslich verbunden ist mit Wachstum, Beweglichkeit, weltweitem Austausch und einer neuen Wirtschaft?“, brachte Michael Kimmelman, der angesehene Kunstkritiker der „New York Times“, das Problem des Guggenheim-Konglomerats auf den Punkt. In der Wahrnehmung einer breiten Öffentlichkeit steht es für alle möglichen zeitgeistigen Ziele (und Luftblasen), nicht aber in erster Linie für Kunst. Die aber ist seine alleinige raison d’être. Dass das erfolgsorientierte Guggenheim die Denkweise der Museumswelt revolutioniert hat, sollte ungeachtet der Konjunkturflaute nicht vergessen werden.

Mit der Malewitsch-Ausstellung in Berlin – klein, fein und kunsthistorisch hoffentlich ertragreich – wird das Guggenheim-Museum beweisen müssen, dass es zu seiner Kernaufgabe zurückgefunden hat. Von Berlin aus nach New York – das ist durchaus ein bezeichnendes Signal.

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