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Kultur: Krieg für den Frieden

20 Jahre Theater im Palais: Ferdinand Bruckners hochaktuelles Stück „Elisabeth von England“

Mit leidenschaftlicher Entschlossenheit stellt sich Ferdinand Bruckner in seinem 1930 im Deutschen Volkstheater Wien uraufgeführten Schauspiel „Elisabeth von England“ den Problemen seiner Zeit. Er entwirft ein personenreiches Geschichtspanorama aus dem 16. Jahrhundert, das auch ein Gegenentwurf zu Schiller ist: Für ideale Überhöhungen menschlicher Antriebe ist kein Platz mehr. Vernunft und Fanatismus, verkörpert durch die englische Königin Elisabeth und den spanischen König Phillip II, stehen bei Bruckner unversöhnlich gegeneinander.

Der österreichische Dramatiker, 1922 Gründer des Berliner Renaissance-Theaters, entzieht seinen Helden den Glauben, Geschichte gestalten zu können. Elisabeth will immer das Richtige und muss das Falsche tun. Es ist friedlich in ihrem Reich, aber die Auseinandersetzung mit Spanien kann sie nicht aufhalten Sie will diesen letzten Krieg noch führen, damit fortan Frieden herrscht. Macht und Profit heißen die Ziele – und sind wichtiger als Katholizismus und Protestantismus. Philipp von Spanien geht mit seinem Fanatismus elendiglich zugrunde, Elisabeth opfert ihren jungen Günstling und Geliebten der Staatsräson.

Was es bedeutet, wenn Freiheit im politischen Handeln verloren geht, hat Bruckner hellsichtig vorausgesehen. Sein Schauspiel wird zum Zeugnis, dass der Zusammenprall von kaltblütiger Intelligenz mit ideologisch verbrämter Allmachtsfantasie in den Abgrund führt. Zweifellos entdeckte er hier Bausteine des Faschismus, ohne sich zu direkten Bezügen hinreißen zu lassen. Dem Spiel um die Macht nahm er die ideologischen Überwürfe, zeigte dabei aber das Menschliche seiner Figuren, die ihren Aufgaben nicht gewachsen sind.

Die Elisabeth im Stück weiß das. Am Ende vertieft sie sich, allein und aller Illusionen beraubt, in Verse von Petrarca über Schmerz und Vernunft. Entsagungsvolle Poesie gegen politischen Gestaltungswillen – bedrückender kann die Ahnung von kommendem Unheil nicht zum Ausdruck kommen.

Auf der kaum zimmergroßen Bühne des Theaters im Palais kam Bruckners Schauspiel jetzt zu einer denkwürdigen Aufführung. Das ausufernde Stück mit dreiundzwanzig Figuren, mit parallel geführten Schauplätzen in London und Madrid, mit Debatten in Kirchen und Konferenzsälen, nicht zuletzt mit der gespenstischen Revolte gegen Elisabeth im königlichen Park, wird von fünf Darstellern zum Leben gebracht. Die Bühne (Alexander Martynow, Ute Rathmann) besteht aus roten Stellwände, roten Sitzen und Bänken: schnell und geräuschlos wandelbare Räume.

Zum Ereignis des von Barbara Abend temporeich und psychologisch stimmig inszenierten Abends wird die Elisabeth der Gabriele Streichhahn. Ihre Königin verbirgt hinter ihrer Naivität etwas Hexisches. Sie ist liebevoll und vor Eifersucht rasend. Nachgiebigkeit steht neben unnachsichtiger Härte, die Lust am Spiel neben Zusammenbrüchen. Streichhahn zeigt ein Geschöpf, das ausbrechen will.

Auch die Männer um sie herum (Peter Rauch, Carl Martin Spengler, Martin Aselmann, Jens-Uwe Bogadtke) machen ihre Sache zuverlässig, besonders Aselmann überzeugt durch Ungestümheit. Und dann gibt es noch in dem griffigen, dichten Abend die behutsame musikalische Begleitung durch Ute Falkenau (Komposition und Klavier) – ein kleines Ensemble stemmt zu seinem zwanzigjährigen Bestehen eine große Staatstheater-Aufführung.Christoph Funke

Theater im Palais, Am Festungsgraben 1, wieder am 25. und 26. März, 20 Uhr

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