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Kultur: Krieg in Afghanistan: Gewarnt - aber dennoch entschlossen

Wer Krieg führt, muss bereit sein, selbst zu sterben: Die Logik, die hinter diesem Satz steht, ist so töricht wie verführerisch. Wer nicht sein eigenes Leben riskiert, soll suggeriert werden, habe kein Recht, das Leben anderer Menschen zu zerstören.

Wer Krieg führt, muss bereit sein, selbst zu sterben: Die Logik, die hinter diesem Satz steht, ist so töricht wie verführerisch. Wer nicht sein eigenes Leben riskiert, soll suggeriert werden, habe kein Recht, das Leben anderer Menschen zu zerstören. Das Abwerfen von Bomben aus sicherer Höhe und das Abschießen von lasergesteuerten Raketen aus weiter Entfernung sei deshalb unfair, ja feige. Dem entgegengesetzt werden archaisch klingende Metaphern wie "Mann gegen Mann". Auch der Ruf nach Bodentruppen wird oft von jenen am lautesten erhoben, die keine Verantwortung haben über das Leben von Tausenden von jungen Männern. Die US-Regierung hat diese Verantwortung. Deshalb hat sie große Skrupel, ihre Soldaten in die afghanischen Berge zu schicken. Die Vietnam-Erfahrung hat sie Vorsicht gelehrt. Die Erfahrung, die die Sowjetunion in Afghanistan erleiden musste, hat diese Vorsicht noch verstärkt. Etwa 15 000 Soldaten hat die ehemalige kommunistische Supermacht im Hindukusch verloren. Mit dramatischen Worten beschreiben derzeit in US-Zeitungen sowjetische Veteranen ihre damaligen Erlebnisse. Washington ist also gewarnt.

Seit knapp vier Wochen werden die Stellungen der Taliban-Milizen bombardiert. Im Kosovo dauerten die Bombardements drei Mal so lange, bevor am Ende der jugoslawische Präsident Slobodan Milosevic die Segel streckte, ohne dass auch nur ein einziger Nato-Soldat am Boden sein Leben riskierte. Den Warnungen der Geschichte stehen folglich auch begründete Hoffnungen gegenüber. Im Pentagon hat man den Eindruck, im Kampf gegen den Terror noch nicht alle relativ risikofreien Mittel ausgereizt zu haben. Den Einsatz einer umfangreicheren Landstreitmacht schließt zwar keiner aus, aber die Planer lassen sich offenbar Zeit damit.

Ein Fehler der "Operation dauerhafte Freiheit" wird inzwischen implizit eingeräumt. Absichtlich waren in den ersten drei Wochen viele Stellungen der Taliban, besonders um die Hauptstadt Kabul herum, von den Bombardements ausgespart worden. Die USA wollten nicht offen Partei für die oppositionelle Nordallianz ergreifen, um parallel zum Krieg eine politische Antwort auf die Frage nach einer Nachfolgeregierung zu suchen. Die militärische Zurückhaltung geschah auch wegen der engen Beziehungen zwischen Pakistan und den Vertetern der Paschtunen, die die Mehrheit im Süden Afghanistans bilden. Diese Strategie ist gescheitert. Seit einigen Tagen unterstützen die USA die Rebellen der Nordallianz mit Flächenbombardements der gegnerischen Front. Offenbar sind sämtliche Bemühungen, die rivalisierenden afghanischen Fraktionen an einen Tisch zu bekommen, festgefahren. Die Kriegführung ist deshalb ein Stück weit abgekoppelt worden von politischen Erwägungen.

Dringlicher schließlich als der Einsatz von Bodentruppen ist für Briten und Amerikaner derzeit die Propagandafront. Sorgen bereitet ihnen vor allem die zunehmend kritische Stimmung auf der so genannten "arabischen Straße". Zwischen Washington und Islamabad liegen zehn Zeitzonen. Wenn die Taliban-Verteter ihre Pressekonferenzen geben, um Geschichten über angeblich 1500 getötete Zivilisten zu verbreiten, schläft Amerika noch, die arabischen Sender kolportieren die Meldungen also unwidersprochen.

Aus amerikanischer Perspektive wird der Krieg sicher noch Wochen, vielleicht Monate dauern. Ob er, wie im Kosovo, ohne Bodentruppen gewonnen werden kann, ist zweifelhaft. Deren Einsatz muss allerdings sorgfältig geplant und erwogen werden. An diesem Wochenende reist US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld zum zweiten Mal in die Region. Bei seinen Gesprächen wird es wahrscheinlich auch darum gehen, in welchem Land sich größere US-Verbände stationieren lassen. Zwei Tage, nachdem Rumsfeld von seiner ersten Reise zurückkam, begannen die Bombardements.

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