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Kultur: "Krieg" und "Terror": Meine Sprache

Trauer, auch Schmerz und Empörung können glaubhaften Ausdruck finden in Bildern. Auch in Fotografien.

Trauer, auch Schmerz und Empörung können glaubhaften Ausdruck finden in Bildern. Auch in Fotografien. Auch in Lichterketten. Auch in Blumen. Auch in Musik. Auch in schweigenden Protesten. Jede Todesanzeige, jede Grabrede hingegen kann uns lehren: Worte tun sich schwer mit Trauer, so wie mit allem Emotionalen und Irrationalen. Was geschieht dann, wenn Tausende von Druckseiten, Hunderte von Mikrofonstunden nach Worten, Worten, Worten verlangen? Und das tagelang!

Mir ist nur eines klar: Die Sprache darf ihren stärksten Leitfaden nicht verlieren - die Vernunft. Ich werde nicht versuchen, den Sinn von Wörtern, die wir alle in den letzten Tagen gehört und gelesen haben, als Unsinn zu entlarven. Vielleicht darf ich gerade noch wenigstens mir selber die Frage stellen: Was denkt sich wohl jemand, der den 11. September 2001 (in unserer Zeitrechnung) zum alles umstürzenden Ereignis der letzten zwei Jahrtausende erklärt? Was würde er antworten auf die Fragen: und Christi Geburt? Der Dreißigjährige Krieg? Die Französische Revolution? Hitlers Vernichtungslager? Die Atombombe auf Hiroshima?

Was ist der Unterschied zwischen "Krieg" und "Terror", den beiden Wörtern, die in letzter Zeit dauernd durcheinander geraten? Gewiss kann einer sprechen von "kriegerischem Terror" oder von "terroristischem Krieg". Aber was meint jemand, der von einem Krieg, womöglich von einem Dritten Weltkrieg posaunt als Rachefeldzug gegen den Terror in Nordamerika? Wer "Krieg" und "Terror" durcheinander quirlt, täuscht nicht nur andere, sondern auch sich selber. Seit Jahren schon machen alte Soldaten, nachdenkliche Militärs, welterfahrene Journalisten darauf aufmerksam, dass ein dritter Weltkrieg ganz anders aussehen wird als der zweite, dass es ihn so, wie gehabt, nie wieder geben wird. Und doch hat dies Politiker sogar in armen Ländern nicht davon abgehalten, Milliarden zu investieren in Panzerkolonnen, Schlachtschiffgeschwader und schwere Bomber. Sie alle können noch immer vernichtende Spuren hinterlassen. Aber auf Dauer können sie nicht gewinnen.

Es kann kein Zufall sein, dass wir die ersten Wörter für eine ganz neue Art der Vernichtung von Gegnern in den Dokumenten der Französischen Revolution finden: "terroriste" (1794) und "terrorisme" (1796). Es dauerte noch zweihundert Jahre, bis der altmodische Krieg dem modernen Terror weichen musste. Mehr und mehr drängten sich terroristische Methoden auf. Am 11. September 2001 sah die Welt zum ersten Male den perfekten, Welt bedrohenden Terror. Einzelne Aktionen hatten wir hier und da kennen gelernt als Teile von Kriegen (Hiroshima, Pearl Harbor), als Teile von Bürgerkriegen (Libanon, Irland). Die erste Forderung des Groß-Terrors verlangt ein Minimum an Aufwand, verbunden mit einem Maximum an Wirkung. Täter wie Opfer sind Zivilisten, nicht von Staats wegen ausgebildete Soldaten. Es geht nicht um Nationalitäten, sondern um Ideologien. Täter wie Opfer sind multinational. Der stärkste Effekt des Terrors liegt darin, dass die Terroristen und ihr Material so lange wie möglich geheim bleiben - schon deswegen sind traditionelle militärische Maßnahmen gegenüber Terroristen unbrauchbar. Auch die Sprache, wenn sie jetzt oft vorschnell vom "Krieg" spricht, hat das zu bedenken.

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