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Maria (Barbara de Matteis), Ina (Laura Licchetta) und Adele (Celeste Casciaro).

© Kairosfilmverleih

Krisenfilm "Ein neues Leben": Drei Frauen auf dem Leidensweg

Italiens Krise, ganz privat: „Ein neues Leben“ wirft einen Blick in den Salento und zeigt die euorpäische Krise aus der Sicht von drei Frauen.

Am Horizont schimmert die griechische Küste. Wenn man vom Salento, der Region im Absatz des italienischen Stiefels, gen Osten blickt, zeichnen sich in nur 80 Kilometer Luftlinie die westlichsten hellenischen Inseln ab. Von dort kam vor über 2000 Jahren die antike griechische Zivilisation nach Italien. Heute sind die Ähnlichkeiten anderer Art: Die Wirtschaftslage in Süditalien ist desolat, die Produktivität war in den Krisenjahren sogar noch geringer. Wachsende Armut, Jugendarbeitslosigkeit, ein Netz mafiös-korrupter Strukturen: Da sucht man sein Glück besser anderswo.

In seinem Film „Ein neues Leben“ bündelt Edoardo Winspeare diese Krisensymptome am Beispiel einer Unternehmerfamilie: Nach dem Bankrott der Textilfabrik setzt Vito (Amerigo Russo) sich in die Schweiz ab, und seine Schwester Adele (Celeste Casciaro) muss, wie so manches Mal schon, den Karren aus dem Dreck ziehen: alles verkaufen, Schulden tilgen und neu lernen, auf dem alten Familienhof Gemüse anzubauen und Hühner gegen Benzin zu tauschen. Die egoistischen Verblendungen ihrer Schwester Maria (Barbara de Matteis) und ihrer biestigen Tochter Ina (Laura Licchetta) lassen sie immer wieder in kalte Wut ausbrechen: Maria träumt vom Durchbruch als Schauspielerin, Ina schläft jede Nacht mit einem anderen Typen und glaubt, durch reiche Heirat den unwürdigen Umständen entgehen zu können. Adele gibt sich keinen Illusionen hin, doch dafür geht ihr jede Zärtlichkeit ab.

Die Krise und die sozialen Strukturen

„Ein neues Leben“ erzählt vom europäischen Prekariat und zeigt, wie die Krise, ist man erst einmal auf harte Verhältnisse zurückgeworfen, das soziale Miteinander zerrüttet. Die Schauspieler sind selber Profis im Irgendwie-Zurechtkommen: Casciaro war Bäuerin und Gastarbeiterin, Licchetta arbeitet als Kosmetikerin, de Matteis als Kellnerin. Sie alle sind Amateure aus dem Salento, vertraut mit dieser Landschaft aus Olivenhainen, Felsküsten und weißen Dörfern, die im Film eine eigene Hauptrolle spielt.

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In den salentinischen Dörfern führen alle Wege zum Kirchplatz. Der aber scheint, so häufig er zu sehen ist, wie leer gefegt. Ein Ödland. „In grazia di Dio“ lautet der Originaltitel, „Gott sei es gedankt“ – vor allem auf dem Acker, wo der geduldig bestellte Boden, so Gott will, reichlich Gaben hervorbringt. Die Bewunderung für die Weisheit der Bäuerinnen und die Früchte der Erde ist ein durch und durch süditalienisches Motiv. Winspeare verwebt es ohne Pathos oder Romantisierung mit der Wirtschaftskrise der Gegenwart – und einer Reflexion über die Rolle der Frau in Süditalien.

In letzter Konsequenz allerdings führt dies zu einer Ave-Maria-mäßigen Beschwörung weiblicher Leidensfähigkeit. Außerdem hinterlässt die metaphorische Verknüpfung von fruchtbarer Erde und weiblichem Körper einen faden Beigeschmack. Entscheidend eindrucksvoll in diesem bitter-schönen Drama bleiben aber die intensiven Momente, in denen die Frauen an der Frage verzweifeln: Wie zusammenhalten, wenn alles auseinanderbricht?

Hackesche Höfe, Il Kino

Carolin Haentjes

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