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Kritik an Komödie: "Hitler war keine Witzfigur"

Die Komödie "Mein Führer" von Dani Levy ist oberflächlich, überflüssig und sogar gefährlich. Angesichts der Ermordung von Millionen von Menschen durch die Nazis kann ich über die Komödie "Mein Führer" nicht lachen. Ein Kommentar von Stephan J. Kramer

Lachen über Hitler ist nichts Neues. Charlie Chaplin, Ernst Lubitsch, Mel Brooks und Radu Mihaileanu haben Hitler und die Nazi-Diktatur in Komödien und Satiren vortrefflich demaskiert. Diese Stücke waren auch in Deutschland zu sehen. Außer bei Chaplin, der kein Jude war, kam hier subtiler, ironischer und sarkastischer jüdischer Witz zum Ausdruck. Jener Witz, der vielen Juden als Überlebende des Holocausts und Nachkommen derselben eine Lebenshilfe war. Jener Witz, der das Leben ausleuchtet und nach Sigmund Freud die letzte Waffe der Wehrlosen ist.

Aber der Vergleich von Dani Levys Komödie "Mein Führer" mit dem Film "Der Große Diktator" oder "Sein oder Nichtsein" hinkt. Als Chaplin und Lubitsch ihre Filme drehten, war das Ausmaß des nationalsozialistischen Völkermordes noch nicht absehbar. Es ist fraglich, ob beide mit dem heutigen Wissen über Hitler ihre Satiren so realisiert hätten. Levys Schenkelklopfhumor hat, wie schon im Film "Alles auf Zucker", mit jüdischem Witz nichts zu tun. Hier wird, leider, wieder einmal nur Fastfood für die Sehnsüchte der Massen produziert.

"Oberflächlich, überflüssig und sogar gefährlich"

Angesichts der massenhaften Entrechtung, Deportierung und fabrikmäßigen Ermordung von Millionen von Menschen in Europa durch die Nazis kann ich über die Komödie "Mein Führer" nicht lachen. Sie ist im Vergleich zu den anderen Hitlerparodien oberflächlich, überflüssig und sogar gefährlich. Hitler war keine Witzfigur mit verkorkster Kindheit. Er war nicht unzurechnungsfähig oder bloß ein Fall für den Therapeuten: Er verdient keine mildernden Umstände oder gar Mitleidsgefühle des Publikums!

Wer sich wirklich distanzieren will, braucht keine kollektive Entkrampfung durch eine deutsche Komödie und auch keine regelmäßige Neuerfindung von Hitler durch Knopp, Eichinger und Co. Die Nachgeborenen haben keine Schuld auf sich geladen, aber sie tragen Verantwortung. Verantwortung auch für die Gefühle und Würde der Opfer und ihrer Nachkommen. Dies gilt für Juden wie Christen, Muslime wie Hindus, Atheisten wie Andersgläubige.

"Levy handelt grob fahrlässig"

Ebenso legitim ist aber auch die Kritik an der Komödie. Es geht nicht um reflexhafte Reaktionen von Tugendwächtern, wenn Ralph Giordano und andere zu Recht von einem Bauchgrummeln sprechen. Hier ist auch nicht die "Witzepolizei" unterwegs. Sich Sorgen zu machen, muss erlaubt sein. Ignatz Bubis sel. A., der langjährige Präsident des Zentralrat der Juden, der am kommenden Freitag 80 Jahre alt geworden wäre, forderte stets den Respekt für die Gefühle der Opfer und die Trauer der Hinterbliebenen. Er mahnte uns alle, die Ängste der Lebenden zu respektieren und die Vergangenheit weder zu verharmlosen noch zu vergessen.

Der Autor ist Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland. (Tsp)

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