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Kultur: Kritische Denker: Elefantenrunde (Kommentar)

Es gibt gute Gründe, Le Monde diplomatique zu lieben, die Zeitschrift, mit dem Mut zu langen Riemen, zu viel Blei. Man bekommt dort politische Nachhilfe und findet, mit Fußnoten versehen, was im Spiegel nicht steht.

Von Caroline Fetscher

Es gibt gute Gründe, Le Monde diplomatique zu lieben, die Zeitschrift, mit dem Mut zu langen Riemen, zu viel Blei. Man bekommt dort politische Nachhilfe und findet, mit Fußnoten versehen, was im Spiegel nicht steht. Außerdem ist die Tendenz wunderschön klar: die Zeitschrift steht immer auf der Seite aller Unterprivilegierten, global. Der taz liegt einmal im Monat die deutsche Ausgabe der "Diplomatique" bei, sie wurde eben fünf Jahre alt. Um das zu feiern, lud man aus Paris, New York und London kritische Denker ins Berliner Haus der Kulturen der Welt. Tausende waren gekommen, ihnen zuzuhören. Thema: "Der kalte Frieden. Zerfall und Reorganisation des Politischen in Zeiten der Globalisierung." Herausgeber Ignacio Ramonet saß auf dem Podium, der feurige Fidel Castro des Leitartikels. Er hat keine Selbstironie, und mit allem, was er sagt, Recht. Die Globalisierung bekämpft die Armen, sagt er, die Umwelt und den Staat. Sie ist böse und gefährlich. Das findet auch die Soziologin Susan George, die aber die Hoffnung hegt, dass Collegestudenten in den USA aufwachen: "Sie wollen keine Sweatshirts mehr aus Sweat-shops". Richard Sennett, der Philosoph, reist in die Psyche der Angestellten, denen das Unrechtsempfinden für ihr Ausgebeutetsein fehlt. Interessant! Aber warum fehlt das? Wir erfahren es nicht. Die Elefantenrunde tagt, alle warten auf große Antworten, doch "unter uns ist kein Karl Marx", räumt Ramonet ein, der die rasende Weltwirtschaft verstehen könne, denn "wir haben kein Programm." Die Denker bringen das Globale nicht auf den Begriff. Es hat sie vielmehr im Griff. Sie haben Angst vor der Globalisierung.

Von ihren Chancen, den neuen Netzwerken, der weltweit wachsenden Intelligenz ist hier nicht die Rede, nicht von der potenziellen Macht der Menge der Kleinanleger. Die Elefanten halten Reden. Sie sollen miteinander kommunizieren und bewegen sich doch alle unter der dicken Haut des eigenen Textes. Ja, kommunizieren ist schwierig, überall! Kommunikation kann schon abstürzen, wenn der Kellner eine Stunde braucht, um zwei Hungrigen den Salat zu servieren. Wenn hier jeder für sich eine Stunde beansprucht, die Vorspeise seiner Ideenmahlzeit anzurichten, wird es mühsam für das Publikum. Auch für die tapfere Moderatorin, die mehrmals "Hauptgericht, bitte" ruft, ohne dass einer ihre Regieanweisung hört. Trotzdem Kinder, seid froh und dankbar, dass ihr dabei sein konntet. Diese Elefanten sterben irgendwann aus, ihr durftet sie nochmal sehen.

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