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Cy Twombly

© dpa

Künstler: Der Weißmaler

Zum 80. Geburtstag von Cy Twombly.

Ein Foto von 2007 zeigt ihn zufrieden vor einem Stapel Fotografien, ein schelmischer Rundkopf in Hemd und Hosenträgern. Ein erneuter Richtungswechsel des US-Künstlers: Hatte Cy Twombly vor zwei Jahren in München seinen großen Auftritt als Skulpteur gehabt, ist jetzt die Fotografie an der Reihe. Nicht, dass es für ihn eine neue Technik wäre, im Gegenteil: Twombly fotografiert seit über 50 Jahren. Nur hat er die Ergebnisse bislang nie der Öffentlichkeit vorgestellt.

Im Showroom des Schirmer/Mosel-Verlags in München, der das Twombly’sche Gesamtwerk in Deutschland publizistisch betreut, sind derzeit Atelier-Fotografien von Cy Twombly zu sehen, quasi als Vorgeschmack auf den Mitte Mai erscheinenden Bildband. Es sind Einblicke in eine verschlossene Welt: Twombly ist bekannt dafür, dass er höchst ungern Besuch empfängt, sich Interviewern und Fotografen entzieht, wo er nur kann. Seine Räume hat er zu burgartigen Schutzräumen ausgebaut: Das Atelierhaus in den Hängen hoch über Gaeta, zwischen Rom und Neapel, wo er sich meistens aufhält, das Haus in Bassano, das Apartment in Rom. Die seltenen Besucher berichten fasziniert: Von einem Universum voll Licht und Farbe, einem quasi mythischen Ort, an dem die Farbschichten auf der Wand, das Abblätternde und neu Überstrichene so perfekt den palimpsestartigen Twombly-Bildern entsprechen.

Auf einem fotografischen Selbstporträt sieht man den Künstler im Gegenlicht. Eine goldene Silhouette, rechts ahnt man Truhe, Vorhang, Staffelei. Eine fast Vermeer’sche Bildkonstruktion, und gleichzeitig ein Monument des bewussten Verschwindens. Cy Twombly als Künstler, der hinter seine Kunst zurücktritt, die selbst wiederum sich ganz zurücknimmt, auf Schriftzüge, zarte Linien. Am Ende bleibt nur die Farbe Weiß, wie in den Skulpturen, den aus Fundmaterial zusammengesetzten Collagen, mit denen Twombly 2006 die Kunstwelt verblüffte.

Der Kunsthistoriker Richard Leeman hat dem Weiß in Twomblys Werk 2005 eine faszinierende Monographie gewidmet („Cy Twombly. Malen, Zeichnen, Schreiben“, Schirmer/Mosel Verlag, 98 Euro). Der weiße Bildgrund, unregelmäßig mit Schriftspuren überzogen: Das war eine Provokation, schon damals in den Fünfziger Jahren, als andere wie der Studienfreund Robert Rauschenberg sich der Pop Art überschrieben. Ein Einzelgänger im Kreis der Pop-Artisten und Abstrakten Expressionisten: Das war der in Lexington, Virginia geborene Twombly immer, und ist es geblieben, je mehr er sich in den letzten Jahren in seiner Wahlheimat Italien zurückgezogen hat.

Nun holt ihn zum 80. Geburtstag der Ruhm ein. Ab Juni richtet die Tate Modern in London die erste große Twombly-Retrospektive in Großbritannien seit über 20 Jahren aus. Ebenfalls im Sommer wird Twombly im Lindenau-Museum in Altenburg der Gerhard-Altenbourg-Preis verliehen. Gerhard Altenbourg: Auch das war so ein Einzelgänger, ein Schriftkünstler, ein Mythologe. Sie hätten sich gut verstanden.

Christina Tilmann

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