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Kultur: Kultur-Tipps: Bruno Preisendörfer über die Unterwürfigkeit der Celan-Deuter

Wenn Rimbaud, der Rambo infernalischer Poesie, in der DDR aufgewachsen wäre und in Prenzlauer Berg gedichtet hätte, könnte sich das so anhören: "Als Schneegestöber zur Welt gekommen, in mausetote Erfahrung gestürzt, bin ich der Bruder Vorsicht, einen Augenblick vor der Erreichung der Brüche, ein kommunistischer Doppelprinz, in Segel gebläht, an Steuerräder gebunden, immer mit einem Zettel in der Gesäßtasche: Der andere bin Ich auch." Das war Nix, "Nix" von Peter Wawerzinek, erschienen im Jahr 1990 im "Produzentenverlag Warnke & Maas, Berlin DDR".

Wenn Rimbaud, der Rambo infernalischer Poesie, in der DDR aufgewachsen wäre und in Prenzlauer Berg gedichtet hätte, könnte sich das so anhören: "Als Schneegestöber zur Welt gekommen, in mausetote Erfahrung gestürzt, bin ich der Bruder Vorsicht, einen Augenblick vor der Erreichung der Brüche, ein kommunistischer Doppelprinz, in Segel gebläht, an Steuerräder gebunden, immer mit einem Zettel in der Gesäßtasche: Der andere bin Ich auch." Das war Nix, "Nix" von Peter Wawerzinek, erschienen im Jahr 1990 im "Produzentenverlag Warnke & Maas, Berlin DDR". Den Produzentenverlag gibt es meines Wissens nicht mehr, die DDR wahrscheinlich auch nicht. Wawerzinek aber schon. Er schreibt immer schön weiter. Und liest und singt. Zum Beispiel am Montag um 20 Uhr in der Autorenbuchhandlung (Carmerstr. 10) aus "Das Meer an sich ist weniger", wie sowohl das Buch als auch die dazu passende CD heißen. Schon am Donnerstag um 20 Uhr tritt Wawerzinek zusammen mit Marc Svetov in der Buchhandlung Hacker und Presting (Leonhardtstr. 22) auf. Es gibt "Truman Plaza Germany".

Vor 25 Jahren sprach die Germanistin Marlies Janz in ihrer Paul Celan gewidmeten Dissertation über "die subalterne Verklärung Celans durch den größeren Teil seiner Interpreten". Diese Verklärung hat sich inzwischen von seinen philologischen Ausdeutern bis in die Zeitungen und Schulen ausgebreitet. Celan und besonders seine "Todesfuge" sind unantastbar geworden. Gleichzeitig wurde die Hermetik des Gedichts vom vielen Antatschen ganz abgegriffen, blank glänzend wie die Oberschenkel bronzener Damen an öffentlichen Brunnen. Wendungen wie "der Tod ist ein Meister aus Deutschland" werden mit Floskeln im Stil der "willigen Vollstrecker" im Munde geführt. Wollte man Celans "Todesfuge" und ihre routinierte Verkitschung parodieren, müsste man sich vorderhand gegen den Vorwurf des "Antisemitismus" wappnen. Dabei könnte zum Beispiel eine Rap-Fassung des Gedichts zeigen, wie sehr es durch Verschlagwortung zerstört worden ist: Die schwarze Milch der Frühe, das goldene Haar Margaretes und das aschene Haar Sulamiths, das Grab in den Lüften, der Meister aus Deutschland. Der Dichter, der sich 1970 das Leben genommen hat, wäre in diesem Jahr 80 geworden. Aus diesem Anlass findet am Donnerstag um 20 Uhr in der Literaturwerkstatt ein Celan-Abend statt mit Thomas Sparr und Ilana Shmueli, einer Jugendfreundin Celans.

Das Jahr 2001 soll das "Jahr des Dialogs zwischen den Kulturen" werden - hat die UNO erklärt. Aber wie lässt sich erreichen, dass der Dialog den Kampf ersetzt? Vor vier Jahren gab es, ausgelöst durch das Buch "Kampf der Kulturen" von Samuel P. Huntington, eine aufbrausende Diskussion über diese Frage. Es ist typisch für unsere mediale Vergesslichkeit, dass dieses Thema nun, frisch überbrüht mit dem Terminus "Leitkultur", auf abgesenktem Niveau noch einmal durchgetalkt wird. Vielversprechender sind Diskussionen mit größerer Ausdauer. Mit einem Symposium im Haus der Kulturen schließt am Samstag die Reihe "Entwürfe 2000 - Kulturen im Dialog". Es geht um die "Rahmenbedingungen des globalen interkulturellen Dialogs". Auftakt ist um 14 Uhr mit einem Vortrag Zygmunt Baumans über die Rolle der Macht im Austausch der Kulturen. Nach Vorträgen von Anil Agarwal aus Indien und Chandra Muzaffar aus Malaysia gibt es ab 17 Uhr eine Podiumsdiskussion mit sämtlichen Teilnehmern.

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