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Kultur: „Kulturarbeit ist das Bohren dicker Bretter“

Gespräch mit dem neuen Goethe-Chef Knopp

Herr Knopp, welche Erfahrungen vom Berliner Haus der Kulturen der Welt (HKW) nehmen Sie für Ihr Amt als Generalsekretär des GoetheInstituts mit?

Ich glaube, wir leben in einer Zeit des Paradigmenwechsels. Das Alte gilt nicht mehr, das Neue kennen wir noch nicht. Es ist eine transitorische Zeit. Wichtig ist, dass wir andere Kulturen nicht als exotisches Schaustück begreifen, sondern uns ihnen von innen nähern.

Sie haben sich in Berlin Ländern wie China, Iran, Indien und Mexiko zugewandt. Auch das Goethe-Institut expandiert in diesen Regionen...

Bestimmte Regionen standen früher nicht im Blickfeld, weil man andere Kulturvorstellungen hatte. Man hat über alle Kulturen ein westliches Netz gelegt und ist davon ausgegangen, dass sie sich wie wir entwickeln. Wir haben dagegen das Modell der „anderen Moderne“ gestellt.

Wie sieht eine solche Kulturarbeit aus?

Lassen Sie mich ein Erlebnis mit Brasiliens Kulturminister Gilberto Gil erzählen. Gil ist ein populärer Musiker. Das HKW macht im nächsten Jahr zur Weltmeisterschaft gemeinsam mit Brasilien eine „Copa da Cultura“, und Gil war es wichtig, dass nicht nur Musiker kommen, sondern dass wir auch über den Zusammenhang zwischen populärer Musik, Fussball und brasilianischer Kultur diskutieren. Sein Vorwurf: „You just want to have the movement of the hips“. Nur Hüftschwünge – das wäre Exotik.

Die Blickrichtung einmal umgedreht: Am HKW haben Sie fremde Kulturen in Deutschland präsentiert. Das Goethe-Institut präsentiert Deutschland im Ausland. Was interessiert andere Länder an uns?

Genau das müssen wir die Menschen fragen. Ich weiß, dass es ein großes Interesse an Deutschland gibt, dass Deutschland sogar geradezu bewundert wird, vor allem wegen dem, was in Berlin passiert.

Also nicht Goethe und Schiller, sondern Gegenwartskunst?

Genau. Wobei Tradition und Moderne in vielen Kulturen nicht so getrennt sind wie bei uns. Schiller zum Beispiel ist in China ganz wichtig. Als ich zum ersten Mal dorthin kam, sprach jeder von Schiller, keine Ahnung, warum. Das herauszufinden, ist unsere Aufgabe.

Wie gedenken Sie mit den Sparvorgaben umzugehen, die auf Sie zukommen?

Man muss wissen, was man will: mit dem Goethe-Institut, dem Haus der Kulturen der Welt, den Berliner Festspielen. Man kann nicht erwarten, dass man 5000 Euro zahlt und dafür einen Mercedes bekommt. Niemand ist ein Zauberer. Aber ich finde es bedenklich, dass man an Kultur als erstes spart. Wenn ich daran denke, wie wichtig Kultur in Deutschland nach Ende des Zweiten Weltkriegs war... Wer ein bisschen historisches Verständnis hat, weiß, Kultur ist unsere Substanz.

Und sie ist ein gutes Mittel, politische Konflikte zu entschärfen, sozusagen Kultur als Gefahrenprävention.

Das ist ein wichtiger Aspekt. Aber es kann nicht sein, dass ich sage: So, jetzt mache ich einen Veranstaltung über Islam, und dann verstehen wir alle den Islam, und die verstehen uns, und alles ist gut. Es ist das Bohren dicker Bretter. Doch wenn man aufhört, hat man aufgegeben.

Das Gespräch führte Christina Tilmann.

Hans-Georg Knopp , 60, ist seit 1996

Leiter des Berliner Hauses der Kulturen der Welt. Ab 1. August folgt er Andreas

Schlüter als Generalsekretär des

Goethe-Instituts.

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