zum Hauptinhalt
West Kowloon Cultural District Promenade in Hong Kong

© Jerome Favre / dpa / picture alliance

KulturInvest-Kongress: Wenn das Wahre Ware wird

Auch Wirtschaften ist eine Kunst: Beobachtungen beim 8. KulturInvest-Kongress, der Marketing, Wirtschaft und Kultur zusammenbringt.

„Ihr Kulturleute habt's gut“, seufzen Marketingfachleute gerne, „denn ihr habt ja Content ohne Ende.“ Mit dem Werbesprech-Wort meinen sie dann die Kunstwerke, mit denen Theater und Museen, Orchester und Bibliotheken arbeiten. In der Wirtschaft dagegen gibt es zumeist nur das nackte Industrieprodukt, zu dem sich die PR-Agenturen erst mühsam Geschichten ausdenken müssen: Weil die Firmen glauben, durch story telling ihre Marke emotionalisieren zu können.

Mit der Gefühlserweckung beim Kunden haben Kulturinstitutionen nie Probleme. Dafür aber umso häufiger mit dem, was Unternehmen in aufwendige Imagekampagnen stecken: Geld. Einen Brückenschlag zwischen beiden Welten bietet die Unternehmensberatung „Causales“ seit acht Jahren mit dem „KulturInvest-Kongress“ an, der am Donnerstag und Freitag einmal mehr im Verlagsgebäude des Tagesspiegels am Askanischen Platz stattfand. Bei rund 70 Vorträgen und Diskussionen kann sich hier wirklich jeder von Best-Practice-Beispielen der jeweils anderen Seite inspirieren lassen, ob er nun in der Verwaltung eines Theaters arbeitet, in der Kommunikationsabteilung eines Unternehmens oder auch als Sponsoring-Akquisiteur.

Klassik-Publikum als Zielgruppe

Höchst unterhaltsam spricht Christian Dabbert, der Chef des PR-Büros Graco, über Strategien des Guerilla-Marketings. Dabei geht es darum, mit witzigen Interventionen im Stadtraum die Aufmerksamkeit von Passanten zu gewinnen. Die fotografieren dann die Riesengabel, die eine Baukrone zum Kopfsalat macht, oder den lachenden Papiermund an einer Laterne, auf dessen abreißbaren Zähnen die Adresse eines Arztes steht, und verbreiten die Bilder über ihre sozialen Netzwerke.

Eine vom Magazin „Concerti“ in Auftrag gegebene Studie wiederum macht den anwesenden Wirtschaftsvertretern das Klassik-Publikum als Zielgruppe schmackhaft: Das ist nämlich nicht nur gut ausgebildet und finanziell solvent, sondern auch unternehmungslustig und überraschend offen neuen Trends gegenüber, wie Michael Haller von der Hamburg Media School darlegt.

Ägyptisches Museum in Turin fit gemacht

Aus seiner so überreich mit Kulturschätzen gesegneten Heimat berichtet Luigi Reitani, der Leiter des italienischen Kulturinstituts Berlin: Seit 2014 lockt dort das Art-Bonus-Gesetz Privatleute wie auch Unternehmen mit einer 65-prozentigen Steuerersparnis, wenn sie Geld in dringend nötige Restaurierungs- oder Umstrukturierungsmaßnahmen im Kulturbereich investieren. Das Ägyptische Museum in Turin konnte durch dieses Modell bereits für die Zukunft fit gemacht werden, ganz frisch in die Liste der förderbaren Projekte aufgenommen wurden all jene historischen Gebäude, die bei den jüngsten Erdbeben zu Schaden gekommen sind.

Schier schwindelig wird den Zuhörern, wenn der frühere Leiter der Berliner Opernstiftung, Michael Schindhelm, zu seiner globalen tour d'horizon ansetzt: Von Dubai, wo 90 Prozent der Bevölkerung Zugereiste sind und Schindhelm in seiner Zeit als Kulturbeauftragter der Regierung darum vor allem darüber nachdachte, wie die Einheimischen sich ihrer Wurzeln bewusst bleiben können, geht es nach Hongkong, wo der studierte Quantenchemiker bei der Planung eines gigantischen Kunst- und Museums- und Theater-Quartiers beteiligt war, das 2018 eröffnen soll, parallel zur neuen Bahnstrecke, die das auf 53 Millionen Einwohner angeschwollene Hinterland mit Hongkong verbinden wird.

Dortmunder U ist "Kulturmarke des Jahres"

Ein erstaunliches Renommee in der Szene haben sich die Kulturmarken-Awards erworben, die jeweils während des Kongresses bei einer Gala im Tipi am Kanzleramt verliehen wurden. Die 34-köpfige Jury wählte diesmal das Dortmunder U zur „Europäischen Kulturmarke des Jahres“, jenes turmartige Gebäude der ehemaligen Union-Brauerei, das anlässlich des Kulturhauptstadtjahres im Ruhrgebiet als Kreativzentrum zu neuen Leben erwacht ist. „Kulturmanager des Jahres“ wurde Thomas Girst, der Leiter des Kulturengagements von BMW, der erstmalig vergebene „Preis für Stadtkultur“ ging an das Wiener Museumsquartier, das sich zu einem echten urbanen Kommunikationsort entwickelt hat, und zwar nicht nur für Kunstkenner.

Die „Grimm-Heimat“ in Nordhessen darf sich „Kulturtourismusregion 2016“ nennen, die Schweizer UBS Bank „Kulturinvestor des Jahres“. Das beste Bildungsprogramm fand die Jury am Stuttgarter Naturkundemuseum, den heißesten Trend machte sie mit dem virtuellen Musikkurator Henry beim Podium-Festival Esslingen aus. Eine der Auszeichnungen immerhin blieb auch in Berlin: Staatsopern-Intendant Jürgen Flimm wurde mit einem Sonderpreis für sein Lebenswerk geehrt.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false