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Außenminister Frank-Walter Steinmeier

© Federico Gambarini/dpa

Kulturpolitik: Im vorpolitischen Freiraum der Kultur

Gegen Ideologien hilft nur Aufklärung: Frank-Walter Steinmeiers Rede zum Abschluss des Forums „Menschen bewegen“

Was man aus einem alten Postbahnhof machen kann! „Station Berlin“ nennt sich der früher trostlos vergammelte Ort am Gleisdreieck, ist licht herausgeputzt und mit einem strapazierfähigen Teppichboden ausgelegt – keine Schmuddellocation, sondern eine lässig-edle Messehalle. In der Tat ist das Forum „Menschen bewegen“ des Bundesaußenministeriums als Treffpunkt für Mittler der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik (AKBP) und ihre Klienten angelegt. Hunderte Stimmen schwirren am Freitagnachmittag durch die Halle, es sind die der Eleven der „Partnerschul-Initiative Pasch“ mit ihren inzwischen 1800 Schulen und 600 000 Deutsch-Lernenden in aller Welt.

Im fröhlichen Geschiebe hat sich ein Stühle-Halbrund ums Podium aufgebaut, für den Mastermind dieser Veranstaltung, Außenminister Frank-Walter Steinmeier. Der zeichnet zunächst ein Bild der Lage: „Die Welt ist auf der Suche nach einer neuen Ordnung“, führt er aus. „Dieses Ringen um Einfluss, um Vorherrschaft in unterschiedlichen Regionen der Welt entlädt sich viel zu oft gewaltsam. Und noch viel öfter sehen wir, wie diese Konflikte unter dem Mantel kultureller oder religiöser Auseinandersetzung ausgetragen werden und wie sie überlagert werden von Ideologien, die aus Unterschieden Feindschaften machen. Ich sage: Gegen Ideologisierung hilft nur Differenzierung. Gegen Ideologie hilft nur Aufklärung!"

Das Bild der Aufklärung passt gut in die helle Halle. Steinmeier scheut sich nicht vor klugen Gedanken, das macht ihn in der kleinmütigen SPD beinahe zum Exoten. Doch Kultur, so wichtig er sie nimmt, ist für Steinmeier nicht eo ipso Allheilmittel: „Es gibt keine Kausalität zwischen Kultur und Bildung auf der einen und Frieden auf der anderen Seite.“ Und noch deutlicher: „Demokratie und Menschenrechte sind längst nicht überall Ziel und Fixpunkt gesellschaftlicher Entwicklung.“ Daraus ergibt sich für Steinmeier jedoch kein Werterelativismus. Er beharrt vielmehr darauf, „für das Erbe der europäischen Aufklärung mit Haltung und Überzeugung einzutreten.“ Also doch die im Europa der Aufklärung formulierten universellen Werte? So hört es sich jedenfalls an: „Die soziale Kraft von Kultur und Bildung stärken, ist der beste Weg zu einer friedlichen Welt.“

Zwischen der Bekräftigung universeller Wertvorstellungen und der Praxis des Dialogs gibt es eine Schwankungsbreite. Es müsse darum gehen, „den eigenen Standpunkt und den anderen Standpunkt zu verstehen. Genau deswegen müssen wir mehr begreifen von den zugrunde liegenden Narrativen. Wir müssen jene tradierten Geschichten, Bilder und Erzählmuster reflektieren, die die politischen, religiösen und sozialen Verhältnisse über die faktische Ordnung hinaus begründet haben und begründen."

Dass solches Verständnis allein nicht reicht, kulturelle, religiöse, ideologische Konfliktlinien zu überbrücken, weiß Steinmeier; aber er steht für das geduldige Bohren dicker Bretter, das nach Max Weber Politik ausmacht. Für die Konkretisierung, sprich: Alltagsarbeit, stehen die Mittlerorganisationen, allen voran das Goethe-Institut, das unter Präsident Klaus-Dieter Lehmann zur Idealeinrichtung der Politik Steinmeiers herangewachsen ist. Benötigt werden „Freiräume, in denen gesellschaftliche Themen gezeigt, erzählt, in Bilder und Töne gefasst werden. Wo Gelegenheit besteht, Träume und Traumata von Gesellschaften zum Gegenstand von Austausch zu machen". Woraus folgt: „Was wir zu allererst dafür brauchen, ist die kulturelle Infrastruktur der Goethe-Institute, Schulen und Orte der Wissenschaft und der Kultur.“

Am Ende der vierzigminütigen Rede gibt es viel Applaus. Danach werden alle Akteure des dreitägigen Forums auf die Bühne gebeten, und am Ausgang liegen zum Mitnehmen die Exemplare eines Buches mit dem Titel „Was wir tun“. Darin verbirgt sich im Vorwort des Ministers eine bezeichnende Abwandlung der in seiner Rede gebrauchten Formulierung: „Denn Kultur ist der vorpolitische Freiraum...“ Man muss Samuel Huntingtons Thesen nicht für bare Münze nehmen, um das für einen allzu frommen Wunsch zu halten. Aber bei einem so schönen Freitagsforum kann ein von den Konflikten dieser Welt geplagter Minister schon einmal von einem „vorpolitischen Raum“ der Kultur träumen.

Weitere Artikel zur Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik finden Sie auf unserer Themenseite.

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