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Eintritt verboten, Einsturzgefahr: Doch auch für die maroden Stätten von Pompeji könnte eine neue Kulturpolitik einen Aufschwung bedeuten.

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Kulturpolitik in Italien: Hoffen auf den Wendepunkt

So reich Italien an Kulturschätzen ist, so wenig kümmerte man sich in den letzten Jahrzehnten um deren Erhalt und Pflege. Dafür, dass das nun endlich grundlegend anders wird, spricht nicht nur ein großes Wort des neuen Ministerpräsidenten.

Das ist doch mal ein Wort: „Wenn Geld für die Kultur oder die Forschung gestrichen wird, dann trete ich zurück“, sagt der neue italienische Ministerpräsident Enrico Letta. So etwas hat man in diesem Land noch nie gehört. Italien rühmt sich, die meisten Kunstschätze der Erde zu besitzen, und doch gibt kaum ein Staat weniger für seine Kultur aus. Wie das römische Kolosseum im Lauf der Jahrhunderte Plünderern als Steinbruch diente, so wurde der Etat des Kulturministeriums in den letzten zehn Jahren um mehr als ein Drittel gefleddert. Nur mehr 1,1 Prozent des Staatshaushalts sind heute für Museen, Theater, Musik, Kino und die unzähligen archäologischen Stätten vorgesehen. Der EU- Durchschnitt liegt doppelt so hoch. Der fortschreitende Verfall von Pompeji gilt vielen deshalb als Symbol und Fanal: Hier zerbröselt Kulturgut, das der ganzen Welt gehört.

Das Ministerium für Kulturgüter und kulturelle Aktivitäten, wie es offiziell heißt, gilt schon lange als Sammelbecken für abgestellte Politikfunktionäre. „Hätte sich Florenz im 15. Jahrhundert eine solche tödliche Abfolge von Verantwortlichen geleistet, wäre die Renaissance ausgefallen“, sagt Salvatore Settis, einer der führenden Kunsthistoriker Italiens. Der neue Kulturminister, Massimo Bray, ist da wahrlich eine Ausnahmegestalt: 54 Jahre alt, ein Seiteneinsteiger und Parlamentsneuling, Literaturwissenschaftler, Philosoph , 20 Jahre arbeitete er bei Treccani, dem italienischen Brockhaus. Bray leitet in seiner apulischen Heimat zudem die Notte della Taranta, Italiens größtes Musikfestival.

Ob er auch der richtige Mann für eine Auferstehung des Kulturministeriums ist, darüber wird nun gestritten. Vielversprechend auch die Wahl der Staatssekretärin, auch sie ein Neuling im Parlament: Ilaria Borletti Buitoni (58) ist eine erfahrene Managerin von Kultur- und Landschaftsgütern und leitete zuletzt den FAI, den italienischen Umweltfonds. Der kümmert sich in erster Linie um die Restaurierung, Erhaltung und Neunutzung von kulturell wertvollen Land- und Stadtgütern, von privaten Kunstsammlungen, Schlössern und Parks.

Im Kulturministerium sitzt kein Berlusconi-Vertreter mehr.

Eintritt verboten, Einsturzgefahr: Doch auch für die maroden Stätten von Pompeji könnte eine neue Kulturpolitik einen Aufschwung bedeuten.
Eintritt verboten, Einsturzgefahr: Doch auch für die maroden Stätten von Pompeji könnte eine neue Kulturpolitik einen Aufschwung bedeuten.

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Buitonis Ernennung ist auch deshalb bemerkenswert, weil der FAI als finanzstarkes, gemeinnützig verfasstes Fundraising-Unternehmen überall dort bestens vernetzt ist, wo es in Wirtschaft und Gesellschaft Geld gibt. Seit fast 40 Jahren geht er bestens beleumundete öffentlich- private Partnerschaften ein und schafft mit lokalen Zirkeln oder der Postkarten-Aktion „Orte des Herzens“ ein Bewusstsein für die Schätze des Landes.

Eine Kulturpolitikwende? Jedenfalls sitzt im Kulturministerium kein Berlusconi-Vertreter mehr. Ein Minister aus dessen Lager hatte Etatkürzungen mit dem Satz begründet: „Kultur kann man nicht essen“. Der nationale Unternehmerverband hält die Fakten dagegen: Italiens Kulturbranche erwirtschaftet an die fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts, stellt mehr als fünf Prozent der Jobs. Die Industrie schrumpft, der Kulturbetrieb wächst, zuletzt um 0,9 Prozent pro Jahr.

Regierungschef Enrico Letta hat die Kultur und den Tourismus jetzt erstmals in einem einzigen Ministerium zusammengebunden, das gefällt den Unternehmern. Beim Strandtourismus ist Italien gegenüber der mediterranen Billigkonkurrenz zurückgefallen, im Kulturtourismus hält es jedoch einen der führenden Plätze.

Bisher stand in der Kulturpolitik die Erhaltung an erster Stelle. Weil es allzu viel zu bewahren gibt, übernahm sich die staatliche Verwaltung zunehmend. Paradoxerweise förderte das rein konservatorische Denken den Verfall, hinzu kamen Bürokratie, Schlamperei, Verschwendung, Kungelei. Daran, nicht am Geldmangel, leidet beispielsweise Pompeji. Die neue Kulturpolitik scheint sich eher auf touristische Erschließung und Vermarktung der Kultur auszurichten. Das Geld für die Bewahrung der Schätze kommt dann vielleicht ja von selbst.

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