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Tim Renner

© dpa

Kulturstaatssekretär Berlin: Tim Renner auf allen Kanälen

Seit einem Jahr ist Kulturstaatssekretär Tim Renner im Amt und sorgte für lautes Medienecho. Auch wenn es manchmal holpert: Innovation ist spürbar. Das gab es lange nicht in der Berliner Kulturpolitik.

Zuletzt saß er fast jeden Abend auf irgendeinem Podium der Stadt. Mal ging es um Popmusik in West-Berlin, mal um das Museum der Moderne, das an der Potsdamer Straße entstehen soll. Er war bei der Verleihung des Berliner Kindertheaterpreises im Grips und sah eine Uraufführung in der Schaubühne. Anvisiert für Anfang Mai: ein Diskussionsabend über die Zukunft der Verlage. Mit Tim Renner.

Überall kann ein Kulturstaatssekretär nicht sein. Aber er vermittelt das Gefühl, dass man ihn schon treffen wird, wenn man zu einem Palaver oder einer Premiere geht. Wenn es um die bloße Präsenz in den Medien und bei den Kulturmenschen geht, war sein erstes Jahr im Amt ziemlich erfolgreich.

Hieß es nicht, als er am 28. April 2014 zu seinem ersten Arbeitstag in der Kulturverwaltung in der Brunnenstraße erschien: Viel wird Renner nicht ausrichten? Die Etats sind beschlossen und bis zur nächsten Abgeordnetenhauswahl nur anderthalb Jahre. Na ja, die eine oder andere Personalentscheidung wäre zu treffen im Lauf des Jahres 2014, am Berliner Ensemble zu Beispiel oder an der Volksbühne. Aber das wird Klaus Wowereit schon machen. Dachte man.

Der Berliner Theaterkrach ist ein Stellvertreterstreit

Wowereit erledigte noch schnell die Peymann-Nachfolge, präsentierte mit Oliver Reese einen soliden Theatermann, der Berlin gut kennt. Das ging geräuschlos über die Bühne. Dann war Wowereit weg. Und Tim allein zu Haus – weil sein neuer Chef Michael Müller erst mal das tun musste, womit Renner gerade fertig war: sich einarbeiten in die Höhen und Tiefen der hauptstädtischen Kultur. Das dauert. Die Unterscheidung von Hochkultur und Freier Szene kann hier besonders trickreich sein.

Schon ging es an der Volksbühne los: der Berliner Theaterstreit oder Kulturkrach, der eine Stellvertreterauseinandersetzung war oder noch ist. Vordergründig fetzte man sich über die Besetzung eines Intendantenpostens. Wohin geht die Kultur in Berlin, das war die nächste Ebene. Schließlich steckt dahinter die Frage, was gerade überhaupt mit dieser Stadt passiert. Eventisierung gleich Gentrifizierung? Lockere Arbeitszusammenhänge oder Ensemble, übersetzt ins Private: One- oder Mehrnightstands oder längere Beziehung. HAU oder VAU.

Renner auf allen Kanälen. Gemessen am Medienecho war das eine ungewollte, aber wirksame Berlin-Kampagne. Hier wird heftig gerungen um Kunst und Kultur: tolle Message! Hier ist Kultur existenziell, denn es geht schließlich auch um Geld und Einfluss. Alte Freundschaften und Arbeitsbeziehungen drohten zu zerbrechen an der Castorf-Frage. Verlängern oder nicht. Auf dem Spiel stand Biografisches. Über zwei Jahrzehnte hat man in Franks Reich gelebt, zuletzt aber schon mit großer innerer Distanz. In der Liebe oder im Theater ist es verdammt schwer, das Ende der Gefühle zuzugeben und sich auf etwas Neues einzulassen oder das Nichts auszuhalten.

Renner wurde fürs Unkonventionelle geholt

Und schließlich war es egal, wie holprig das Engagement des neuen Volksbühnen-Meisters Chris Dercon ablief, mit all den Leaks und Kommunikationsproblemen: Es riecht plötzlich nach Innovation, Veränderung. Das gab es lange nicht in der Kulturpolitik. Dafür hat Wowereit Renner geholt, fürs Unkonventionelle.

Ein Jahr Tim Renner: Langweilig war es nicht. Er hat den Spielraum, den er gar nicht hatte, munter genutzt.

Und jetzt noch ein paar Hausaufgaben: Das Verhältnis zum Bund und zur Kulturstaatsministerin ist zu verbessern, da liegt viel Geld für die Berliner Kultur. Einen Dauerzwist kann sich Berlin da nicht leisten, ein neuer Hauptstadtvertrag steht zur Verhandlung.

Die Freie Szene ist enttäuscht

Viel schwieriger: Die Sache mit den Ateliers und Proberäumen wäre voranzubringen, das hat sich Renner selbst auf die Fahne geschrieben. Die Freie Szene ist enttäuscht von ihm, aber das war sie immer und wird sie immer bleiben. Denn ihre Forderungen sind im Grunde unerfüllbar. Die Entwicklung der Stadt lässt sich kaum aufhalten, und es ist auch nicht ganz leicht zu erklären, warum Künstlern in innenstädtischen Bezirken bezahlbare Mieten garantiert werden, während der Rest der Bevölkerung weichen muss, weil Mietwohnungen zu teuer werden oder zu Feriendomizilen mutieren. Die Dynamik Berlins überfordert manchmal auch diejenigen, die sie mit erzeugen. Tim Renner ist Teil der Transformation, die er moderieren soll.

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